Die Karmelitinnen haben 2023 ihr Kloster in Gmunden verlassen. Ein schmerzhafter Prozess für viele. Die Leere wird nun neu belebt, denn der Garten des ehemaligen Klosters der Karmelitinnen in Gmunden wird im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt Salzkammergut 2024 zum „Avantgard/en“ und thematisiert die Rolle von Frauen bei der Bewahrung kollektiver Erinnerungen.
Eine aus Sarajevo gebürtige Künstlerin schlägt hier eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart in Richtung Zukunft und lädt zu heilenden Ritualen ein.
Ein Blick zurück: Sarajevo – Partnerstadt von Bad Ischl – wurde von 1992 bis 1996 von serbischen Truppen belagert. Der Krieg hat furchtbares Leid über die Bevölkerung gebracht. Das Haus, in dem die Künstlerin Smirna Kulenović aufgewachsen ist, lag nur fünf Gehminuten von den Schützengräben entfernt.
Im Jahr 2021 hat die Künstlerin nach Sarajevo eingeladen: 100 in Rot gekleidete Frauen haben damals 1000 Ringelblumensamen in den Boden gepflanzt, in dem sich der Schrecken des Krieges zugetragen hatte. In der umkämpften Grenzlandschaft blühen jetzt die Ringelblumen, eine Heilpflanze, die zur Wundbehandlung verwendet wird. Mit diesem heilenden Ritual machte uns am zweiten Ostersonntag die Künstlerin im Klostergarten Gmunden vertraut: Kulenović teilte ihre Erfahrung mit uns und lud dazu ein, dieses heilende Ritual im kleinen Maßstab nachzuvollziehen.
Auch in solchen Projekten nimmt unser Glaube konkrete Formen an. Es ist das Bemühen um ein geheiltes und befriedetes Zusammenleben, das Ringen mit dem Negativen und mit dem vermeidbaren und dem unvermeidbaren Leid, das uns aufgetragen ist.
Erlösung im Sinne von Versöhnung und Heilung ist möglich. Aber wir müssen damit umgehen lernen, dass die Früchte der Erlösung weithin noch nicht sichtbar sind, weil die Pflanzensamen verborgen im Erdreich keimen. Es ist ein langer Wachstumsprozess. Nie abgeschlossen geht er weit über uns hinaus. Wir sind nur ein kleiner Teil davon. Und die Vollendung werden wir hier nicht erleben. Denn es ist ein Geschehen der ganzen Menschheit, ein Geschehen über Jahrtausende.
Wenn der Frühling so wie in diesem Jahr gleichsam über Nacht kommt, kann man das Gras geradezu wachsen sehen. Auch das gibt es: Wachstumsschübe. Zeiten, in denen sich der Prozess der Erlösung zu beschleunigen scheint. Ob wir derzeit eher in einer Zeit der Stagnation, des Rückschritts oder der Beschleunigung leben, wird der weitere Verlauf der Geschichte zeigen. Wolf Biermann hat uns schon vor Jahren dazu ermutigt, uns von den herrschenden Zuständen nicht verhärten und verbittern zu lassen, denn „das Grün bricht aus den Zweigen, wir wolln das allen zeigen, dann wissen sie Bescheid“.
Es ist etwas passiert, auf dem wir aufbauen. Durch Sterben und Tod hindurch das Leben. Wir sprechen von Jesus zu Recht als von Gottes Sohn, weil sich in der Jesusgeschichte etwas ereignet hat, was unwiderruflich ist. Es wird nicht zurückgenommen, weil es einer himmlischen Regie folgt. Es hat einen Sinn, mitzutun.
Gott hat seine Zusage schon gegeben. Diese Zusage kann man Gnade nennen, obwohl ich damit keine rechte Freude habe. Es ist ein heikles Wort, das aus einer feudalen Welt kommt. Was damit gemeint ist gilt allerdings: Die Hauptübel, als da sind Tod, Leid, Krankheit, Hunger, Dummheit, gewaltsam ausgetragene Konflikte, alles ist überwindbar. Berge können versetzt werden, auch Berge der Schuld. Keine ist so groß, dass Gott sie nicht vergeben könnte. Und: Erlösung beginnt hier auf dieser Erde. Wenn ich sie nur in den Himmel verlege, wird Religion ein frommer Betrug. Erlösung bedeutet hier schon erlebbar machen, was einmal voll sein wird.
Seit der Linzer Bischof Maximilian Aichern die Kirche, die ich 1998 mit einer Linzer Pfarrgemeinde in einer ehemaligen Textilfabrik eingerichtet habe, unter die Obhut des seligen Marcel Callo gestellt hat, halte ich mich an das Lebenszeugnis dieses jungen Arbeiters und Pfadfinders.
Nach einem Jahr Zwangsarbeit in Thüringen wird der „bretonische Sturschädel“ am 19. April 1944 verhaftet. Wegen seiner „katholischen Aktion“. Es ist der offizielle Gedenktag. Als er am Josefitag 1945 im Krankenrevier des KZ Mauthausen stirbt, ist er nur noch Haut und Knochen, von Misshandlungen und Ödemen entstellt. Die Befreiung am 5. Mai 1945 kommt für den 23-Jährigen zu spät.
In persönlichen Aufzeichnungen finden sich diese Sätze: „Wir werden gute Werkzeuge der Gemeinschaft, gute Bauleute der Neuen Stadt, wenn wir Christus in die Mitte unseres Lebens stellen. Nehmen wir Christus also in unser ganzes Leben hinein, in alle unsere Handlungen; denn in dem Maß, in dem wir ihn mitten hineinstellen in unser Leben, wirken wir für das Wohl der Gemeinschaft.“
Der 19. April ist der Gedenktag des seligen Marcel Callo. Der Glaube an Jesus Christus, der ihn geprägt hat, ist Glaube an den Gekreuzigten und den Auferstandenen, ist Vertrauen darauf, dass der Sieg dem Leben gehört und nicht dem Tod, der Menschlichkeit und nicht der Gewalt, der Liebe und nicht dem Hass.
mit Christian Öhler
Wenn es um Glaubensfragen geht, dann will Christian Öhler, katholischer Stadtpfarrer von Bad Ischl, ganz konkret sein. Von der Woche zum Weißen Sonntag bis Pfingsten schreibt er zu diesem Thema eine siebenteilige Serie in der Kirchenzeitung.
Was ihn besonders bewegt, hat Pfarrer Öhler im Video-Interview verraten. Dabei spielen neben Glaubensfragen auch Natur- und Kunsterfahrungen eine Rolle: Beides bietet das Salzkammergut, insbesondere 2024, da die Region Kulturhauptstadt Europas ist.
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Christian Öhler
Stadtpfarrer von Bad IschL, Regionaldechant für das Traunviertel, Pfarrprovisor St. Wolfgang und Pfandl
Christian Öhler ist auf dem Bindermichl in Linz aufgewachsen. Als Kind und Jugendlicher engagierte er sich in der Pfarre Linz-St. Michael und studierte später Theologie in Linz und Frankfurt. 1985 wurde er zum Priester geweiht. Er prägte in Linz die Seelsorge in der Kirche in der Tuchfabrik, 2010 wechselte er nach Bad Ischl und vernetzt dort unentwegt Land, Leute und Kirche, besonders im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut.