Edel und bequem oder doch teuer und bedenklich? Gegner kritisieren den Kaffee in Kapseln, die Müllberge und den Preis für die Konsumenten. Befürworter genießen Design und Geschmack auf Knopfdruck. Und laufend kommen neue Kapselprodukte auf den Markt.
Kaum zu glauben, aber die Markteinführung 1986 war ein Flop. Erst der Werbe-Einsatz des smarten George Clooney machte aus den Nespresso-Kapseln ein begehrenswertes Produkt. Das System „bequemer und exklusiver Kaffeegenuss“ ist seither kaum zu stoppen. In der Zwischenzeit sind längst andere Hersteller auf den Erfolgszug aufgesprungen. Und nach dem Auslaufen der Patentrechte muss sich Nestlé nun den Kaffee-Kuchen mit immer neuen Konkurrenten teilen.
Ein Land der Kaffeetrinker
Mit 2,9 Tassen täglich bzw. 162 Litern pro Kopf und Jahr zählt Österreich zu den Top 10 unter den europäischen Kaffeetrinkern. Zwei Trends lassen sich aktuell auch in Zahlen ablesen: individueller Genuss und Nachhaltigkeit. Mehr als ein Drittel aller österreichischen Kaffeemaschinenbesitzer haben ein Kapsel-Gerät. Gleichzeitig ist der Verbrauch von fair gehandeltem Kaffee im letzten Jahr um sechs Prozent gestiegen. (Quelle: Öst. Kaffee- und Teeverband).
Mein persönlicher Kaffee
Die aktuellen Zahlen zeigen auch deutlich, dass der Kapselmarkt in Österreich stark zunimmt. 32,1 Prozent aller Haushalte haben im vergangenen Jahr zumindest einmal Kaffee in Kapseln gekauft. Geht man davon aus, dass für den Konsum auch eine entsprechende Maschine vorhanden sein muss, kann man folgern, dass ein Drittel der österreichischen Haushalte Kaffee aus Kapseln trinkt. Marktführer – was die Menge der verkauften Kapseln betrifft – ist Tchibo. Betrachtet man die Umsatzzahlen, hat Nespresso die Nase vorn. Dahinter folgen Tassimo (von Mondelez, früher Kraft Food), Martello (Hofer-Eigenmarke), Eduscho und Nescafe (Quelle: GfK/Consumer Panel Services).
Preiskampf auf hohem Niveau
Eine Nespresso-Kapsel kostet mindestens 35 Cent, Tchibo beginnt bei knapp 30 Cent, Hofer liegt mit 20 Cent deutlich darunter. Dafür erhält der/die Kaffeetrinker/in ganze sechs Gramm Kaffee! Umgerechnet auf den Kilopreis kommt man also auf gut 58 Euro bzw. 50 und 34 Euro. Selbst wenn man beim Bohnenkaffee zu einer teureren Qualität greift, liegt der Kilopreis weit darunter. Umgerechnet auf den Jahresverbrauch macht die Differenz bei einem starken Kaffeetrinker 200 bis 300 Euro aus.
Konkurrenz in der eigenen Maschine
Nach einem langen Streit um die Patente dürfen nun auch andere Hersteller Kapseln für die Nespressomaschine vertreiben. REWE/Billa, Spar und neuerdings auch Hofer machen sich dies zunutze. Sie liegen mit ihrem Angebot preislich deutlich unter dem Original, haben aber laut diversen Tests noch geschmackliche und technische Kinderkrankheiten.
Der Kapselmüll wächst
Mehr Kapseln verursachen größere Müllberge. Klare Auskünfte darüber geben die Produzenten keine. Ökotest.de hat jedoch für Deutschland errechnet, dass die jährlich konsumierten und weggeworfenen Kaffeekapseln aneinandergereiht eine Strecke von 60.000 Kilometern ergeben. Das ist die 1,5-fache Länge des Äquators. Auch wenn die einzelne Kapsel nur wenige Gramm wiegt, ergeben sich Tonnen von Müll. In vielen Fällen ist dieser nicht einmal sortenrein, da für Kunststoffdosen auch Aludeckel Verwendung finden.
Problemstoff Alu
Absolute Geschmacksneutralität verspricht Nespresso und argumentiert damit den Einsatz von Alukapseln. Die Tatsache, dass für die Herstellung von Alu große Mengen an Rohstoffen und Energie benötigt werden, findet man auf der Homepage nicht. Laut Auskunft von Nespresso Österreich werden hierzulande 84 Prozent der Kapseln recycelt – die Rückgabe ist in den Geschäften, bei Handelspartnern oder in Altstoffsammelzentren möglich. Seit einem Jahr produziert ein Tiroler Recyclingunternehmen aus den Kaffeeresten Biogas und schmilzt die gebrauchten Kapseln zur Herstellung neuer Aluminiumprodukte ein.
Abbaubare und nachfüllbare Kapseln
Neue Wege beschreitet seit zwei Jahren die Ethical Coffee Company. Deren Kapseln sind „aus nachwachsenden Rohstoffen, größtenteils Pflanzenfasern und Stärke, gefertigt und kompostieren sich innerhalb von sechs Monaten nach Gebrauch“. Müll vermeiden und Geld sparen sollte man auch mit wiederbefüllbaren Plastikkaspeln, wie sie die niederländische Firma Coffeeduck anbietet. Sie sind – so wie die abbaubare Variante – zum Gebrauch in der Nespressomaschine (ausgenommen Geräte mit automatischem Kapseleinzug) geeignet. Tests in einschlägigen Foren (z.B. www.kapsel-kaffee.net) attestieren problemlose Handhabung. Beim Befüllen ist etwas Erfahrung notwendig. Preisersparnis und Geschmack sind je nach eingefülltem Kaffee unterschiedlich. Aus Frankreich kommt das System „Capsul‘in“, die Packung erhält zu den Plastikdosen runde Verschlussteile zum Aufkleben (www.capsul-in.com). Mit dem Preis „Swiss Innovation 2012“ und einem „Sehr gut“ im Öko-Test-Magazin 10/2013 ausgezeichnet wurde die erste wiederbefüllbare Kapsel aus Edelstahl (www.mycoffeestar.de). Laut eigenen Angaben liegt die Preisersparnis gegenüber Nespresso-Kapseln bei 470 Euro im Jahr.
Fairtrade und bio
Noch nicht lange auf dem (Internet-)Markt sind die kompostierbaren und mit Fairtrade-Kaffee befüllten Kapseln „beanarella“ der Swiss Coffee Company AG (www.beanarella.de). Aber auch die großen Marken beginnen langsam damit, einzelne Sorten mit dem Siegel „Fairtrade“ oder „bio“ anzubieten.
Auch Tee wird verkapselt
Die Prämissen „individuell und einfach“ gelten neuerdings auch für Tee. Weit weg von Teezeremonien, aufbrühen und ziehen lassen, versorgt etwa „Teekanne“ die Nespressomaschinen mit „Easy Tea“. Andere Anbieter folgen. Die Konsumenten stehen diesen Produkten allerdings (noch) sehr skeptisch gegenüber. Es bleibt abzuwarten, ob sich in Zukunft die Teekapseln neben den Kaffeekapseln stapeln werden – zuerst in der Küche und dann auf den Müllhalden.
Aufgetischt
Kaffeespezialitäten
Ein Streifzug vom Arabischen Kaffee bis zum Verlängerten, von Zubereitungsarten in verschiedenen Ländern bis zum Wiener Kaffeehaus.
– Arabischer Kaffee oder Café Orient: Man lässt eine Kardamonkapsel mitkochen und serviert sie auch in der Kaffeeschale. – Brauner: österreichische Bezeichnung für einen großen oder kleinen Espresso mit Obers oder Milch. – Café Borgia: ein große Espresso mit einem Barlöffel Honig, einem halben Barlöffel Schokoladenraspeln und etwas Zimt; wird in einer große Espressotasse verrührt. – Café Crème: französische Bezeichnung für einen kleinen Espresso mit einem Kännchen kalten Obers. – Cappuccino: Espresso mit heißer aufgeschäumter Milch. – Einspänner: kleiner Espresso im Glas mit Schlagobershaube. – Franziskaner: kleiner Espresso mit viel aufgeschäumter, heißer Milch, Schagobershaube und darauf Schokoladeraspeln. – Kaisermelange: großer Espresso, der mit zwei Barlöffeln Zucker und einem Eigelb gut verrührt und mit aufgeschäumter Milch serviert wird. – Türkischer Kaffee: In einem Kupferkännchen werden ein Barlöffel feiner Bohnenkaffee, Zucker nach Belieben und 12 cl Wasser aufgekocht. Nach dem Aufwallen vom Feuer nehmen. – Verlängerter: kleiner Espresso, der mit der doppelten Menge Wasser hergestellt wird.
Aus dem Handlexikon der Getränke, S. Siegel et al., Trauner Verlag.