Man lebt und bewegt sich auf Brücken, die andere gebaut haben. Ihre Tragfähigkeit hängt von der Erfahrung, dem Wissen und der Sorgfalt vieler Menschen ab. Ein Leitartikel von Matthäus Fellinger.
In der Umgebung von Graz bekommen es viele zu spüren – wie es ist, wenn eine Brücke einstürzt. In wenigen Sekunden bricht zusammen, was seit Jahren geplant und seit Monaten gebaut wurde. Aufbauen ist mühsam. Brechen geht schnell. Eigentlich ist es erstaunlich: Man lebt und bewegt sich auf Brücken, die andere gebaut haben. Ihre Tragfähigkeit hängt von der Erfahrung, dem Wissen und der Sorgfalt vieler Menschen ab. Ganz selbstverständlich verlässt man sich darauf. Dabei geht es nicht nur um Brücken, auf denen Autos und Züge verkehren. Eigentlich leben Menschen zu einem sehr großen Teil von dem, was andere geschaffen haben. Keiner muss von vorne anfangen, niemand muss sich seine Brücken selber bauen. Es sind schlechte Zeiten, in denen Brücken zerstört werden, in denen man Brücken sperrt – oder in denen es Passierscheine braucht. Der Einsturz der Brücke bei Graz kann Anlass sein, über den Zustand der zwischenmenschlichen Brücken nachzusinnen. Auch darüber, ob unsere Zeit eine ist, die man einmal mit einer Brückenbauzeit in Verbindung bringen wird, oder als eine Zeit der Sperren und des Brechens.