Am Stammtisch wird der Geist Gassi geführt. Da darf er sein Geschäft verrichten. Und das Herrl hat kein Gassi-Sackerl dabei.
Ausgabe: 2015/33, Kommentar, Stammtisch
11.08.2015 - Ernst Gansinger
Was an heimischen Stammtischen – leider viel zu oft – Gassi geführt wird, ist zum Schämen. Neulich etwa an einem Sonntag Mittag in einem Linzer Gasthaus. Drei Herren unterhalten sich mit dem Wirt über das Asylproblem. – Keine Rede von den Hunderten und Tausenden, die auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken. Kein Mitfühlen mit denen, die auf der Flucht auf einer österreichischen Autobahn aus einem Kleinlastwagen, in dem sie zu Dutzenden zwölf Stunden zusammengepfercht waren, „ins Freie gelassen werden“. Kein Wort der Scham, dass in Österreich wegen einer fatalen Asylpolitik Flüchtlinge in Auffanglagern zu Obdachlosen werden. Nein, kein christlicher Satz im christlichen Abendland. Dafür fallen unter heftigem Nicken und großer Zustimmung in der Runde Worte wie Gsindel, Mauthausen hat damit Schluss gemacht, unter Hitler – richtig: da hätte es das nicht gegeben. Ich schäme mich, dass heute noch so rassistisch und faschistisch geredet wird. Ich schäme mich auch, dass ich nicht aufgestanden bin und laut zum Stammtisch hinüber geschrieen oder geweint habe. Ich bin für Gassi-Sackerl an den Stammtischen.