Am Freitag, 23. Oktober beginnt in Salzburg das Delegiertentreffen
Ausgabe: 1998/43, Dialog für Österreich, Blindenpastoral
20.10.1998 - Hans Baumgartner
Entscheidende Tage für die Kirche Österreichs stehen an: von Freitag, 23. bis Montag, 26. Oktober treffen sich in Salzburg 300 Delegierte zum „Dialog für Österreich“. „Nach Salzburg sollte klar sein, daß es keine Diskussionsverbote gibt und auch in der Kirche nicht geben kann“, erwartet sich etwa die bekannte Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi einen „nach vorne hin offenen“ Dialog. Auf die Delegierten selbst kommt ein anstrengender Abstimmungsmarathon zu. Bis Anfang Oktober wurden von Delegierten zu den ursprünglich nur 106 zur Abstimmung vorgeschlagenen Anträgen an die tausend Änderungsanträge eingereicht, die bearbeitet werden müssen. Die Zeit zum Dialog selbst ist knapp, er muß daher nach dem 26. Oktober fortgeführt werden, bekräftigte erneut Bischof M. Aichern.Die Augen öffnen“Wir wollen, daß man uns nicht länger übersieht. Deshalb möchte ich den Delegierten – auch den Bischöfen – die Augen öffnen.“ Der das sagt, ist selber blind, Max Roßbacher.Wenn Max Roßbacher diese Woche zum „Dialog für Österreich“ nach Salzburg fährt, dann hat er ein großes Anliegen: Er will – trotz aller Zeitknappheit – vor den versammelten Delegierten zu Wort kommen. „Und dann“, so meint er mit einem vielsagenden Lachen, „will ich die Leute schon etwas provozieren und verunsichern.“ Roßbacher will aber nicht über Zölibat oder Frauenweihe, auch nicht über Amtsausübung oder Bischofswahl reden, obwohl das „lauter Themen sind, die auf den Tisch gehören und für die es kein Gesprächsverbot geben kann“. Roßbacher möchte das Augenmerk der Delegierten und der gesamten Kirche Österreichs darauf lenken, den Behinderten in den Gemeinden mit mehr Aufmerksamkeit zu begegnen, sie stärker in das Pfarrleben zu integrieren und ihnen Begegnungs- und Vernetzungsmöglichkeiten zu bieten. „Wenn wir Jesus ernst nehmen, dann müssen behinderte Menschen in ihren Pfarrgemeinden, dort, wo sie zu Hause sind, praktisch erfahren: Ich gehöre dazu, ich bin nicht abgeschrieben, ich werde gebraucht und geschätzt.“ Roßbacher, der selber seit fast 60 Jahren blind ist, hat immer wieder erfahren, daß Behinderte auch in der Kirche oft nur Gehör finden, wenn sie laut genug auftreten. So gäbe es beim Dialog keinen behinderten Delegierten, wäre Roßbacher nicht hartnäckig gewesen. „Deshalb möchte ich den Delegierten die Augen öffnen, daß es nicht nur Jugendliche, Geschiedene, Alleinerziehende etc. gibt, denen sich eine christliche Gemeinde besonders widmen muß, sondern eben auch Behinderte. Gerade wenn jemand erst spät behindert wird, verliert er oft seinen früheren Bekannten- und Freundeskreis. Da wäre es ganz wichtig, wenn er/sie angesprochen wird, wenn Leute aus der Gemeinde sich bemühen, daß Kontakte aufgebaut werden und er/sie möglichst gut in das ,normale Leben‘ der Pfarre einbezogen wird.“ Oft unterbleibe das nicht aus bösem Willen, sondern aus Gedankenlosigkeit oder aus fehlender Courage, „möglichst unbefangen auf einen von uns zuzugehen. Und so kommt es vor“, erzählt der 74jährige, „daß ein Blinder nicht zur Kommunion gehen kann, weil keiner seiner Banknachbarn ihn mitnimmt.“ Auf den Delegiertentag hat sich Roßbacher gut vorbereitet. Ein Mitarbeiter hat ihm das umfangreiche Arbeitsdokument auf Kassetten gelesen. Die wichtigsten Passagen hat sich Roßbacher in Blindenschrift abgeschrieben. „Ich will nicht nur dabeisitzen, sondern aktiv mitarbeiten“, sagt er. Sein Ziel ist, daß Behinderte mehr wahrgenommen werden, auch in der Ausbildung der Seelsorger/innen. „Man hat uns ziemlich schäbig behandelt. Zweimal wurde uns versprochen, daß die Behindertenpastoral einen Delegierten für die Dialog-Versammlung in Salzburg bekommt. Zweimal wurden wir auf Österreichebene übergangen“, erzählt Max Roßbacher. Bischof Weber habe ihn dann auf die steirische Liste setzen lassen.Roßbacher ist, so wie seine Gattin, seit seiner Jugend blind. Am Grazer Stadtrand haben sie fünf Kinder großgezogen. Seit 47 Jahren ist Roßbacher im Blindenapostolat engagiert. Seine Frau leitet in der Heimatpfarre seit 25 Jahren eine Bibelrunde.