Das Volk hat sich Stimme verschafftGuter Start zum „Dialog“ bei Delegiertenversammlung„Gebt notfalls euren Herzen einen Stoß“. Diesen Appell richtete Bischof Johann Weber am Abschlußtag der Delegiertenversammlung zum „Dialog für Österreich“ an seine bischöflichen Mitbrüder. Von diesen wird es wesentlich abbhängen, ob der „Geist von Salzburg“ sowohl nach oben als auch nach unten weitergetragen werden kann. Die Delegiertenversammlung vom 23. bis 26. Oktober hat geschafft, was viele ihr nicht zugetraut haben: Selbst bei unterschiedlichen Positionen gab es fairen partnerschaftlichen Dialog. Klare Mehrheiten bringen den Wunsch nach Reformen zum Ausdruck. „Heiße Eisen kann man nicht auslöschen, aber wir sollen uns auch nicht die Finger verbrennen“, hatte Vorsitzender J. Weber gemeint. „Das Volk hat sich Stimme verschafft“, sagt Bischof Aichern.Die Aufbruchstimmung vor der dunklen Kulisse des Salzburger Doms war eher symbolisch, als sich am Freitag vergangener Woche die 280 Delegierten zum Auftakt für den „Dialog für Österreich“ versammelten. Die kleinen Kerzen in ihren Händen – stünden sie nur als Symbole für die „heißen Eisen“, sie würden kaum reichen, Licht ins Dunkel zu bringen (Bischof Weber). Eine Nachricht wirft ihren Schatten voraus: Kardinal Schönborn kann am „geistlichen Experiment“, wie der Papst in seinem Grußwort den Dialog bezeichnet, nicht teilnehmen. Der, dessen Einsatz in den vergangenen Monaten die Versammlung vor dem Scheitern bewahrt hat, mußte ins Krankenhaus. Am Samstag eröffnet der vertretende Vorsitzende Bischof Weber mit der Feststellung: „Uns geht es nicht gut.“ Mit wenigen Worten skizziert er die Notwendigkeiten dem Heute in Österreich ins Auge zu schauen. Den Delegierten legt er ans Herz: Zuhören, ernst nehmen, auch wenn man nicht zustimmen kann.Und trotz unterschiedlichster Standpunkte wird in zwölf Arbeitsgruppen rund sechs Stunden mitunter kontrovers, aber konstruktiv gearbeitet. Aus 158 Seiten Arbeitsdokument und 2,35 Kilogramm Änderungsanträgen werden Meinungsbilder formuliert. Alles kam auf den Tisch, auch wenn nicht darüber abgestimmt wurde. Es gelang, über Themen wie „Sexualität“ oder „Frauen in der Kirche“ trotz massiver Auffassungsunterschiede fair miteinander zu streiten.Moderation und Disziplin der Delegierten ermöglichten es, daß 168 Frauen und Männer zu Wort kamen. Dabei übten sich die Mitglieder der Bischofskonferenz ganz offensichtlich im Zuhören. Ehrlichkeit und Offenheit gaben den Ton an: Wie wichtig es ist, daß trotz Scheidung er noch immer Kommunionhelfer sein kann, weil sein Pfarrer zu ihm steht, sagte ein Burgenländer. Und Abt Felhofer sprach von seinen Sorgen über Mitbrüder, die am Zölibat gescheitert sind – zur Versöhnung der Kirche mit diesen Priestern ohne Amt, ihren Frauen und Kindern im Heiligen Jahr rief er auf.Auch umstrittene Fragen wie das Diakonat der Frau, die Zulassung verheirateter Männer zum Priestertum oder ein neuer Umgang mit Homosexuellen erhielten große Zustimmung. Bei zwei von 35 Meinungsbildern drückten sogar alle den „gelben Knopf“: gegen aktive Sterbehilfe und für ein verstärktes Engagement zum Erhalt des arbeitsfreien Sonntags.In welcher Form dieser „durchaus lustvolle Schritt in Sachen Demokratie“, wie die Katholische Aktion Österreichs es bezeichnet, seine Fortsetzung findet, blieb offen. Es wird zunächst in Pfarrgemeinden, Gruppen und Bewegungen weitergehen, so lauten die Selbstverpflichtungen. Warum nach 67 Stunden echt Aufbruchstimmung spürbar war? Es war Zeit um zu erleben, daß auch die/der andere betet. Und beim Essen rüttelte der Blick über den Tellerrand an Vorurteile. So brannte auf den kleinen Kerzen doch das Licht von Ostern, „von einem neuen Morgen für die Kirche in Österreich“ (Weber).