Der Strukturwandel der letzten Jahre fordert die Pfarre zu neuer Offenheit In Pichl bei Wels, spielt der Kirchenplatz noch eine zentrale Rolle. Viele der ca. 500 sonntäglichen Kirchenbesucher/innen (von ca. 2400 Katholiken) erfahren hier Neues und kommen in Kontakt. „Am Kirchenplatz wird Politik gemacht“, erzählt einer, der es wissen muß. Von den Schweinefleischpreisen bis zur jüngsten Kirchenrenovierung ist alles ein Thema. Noch steht in Pichl die Kirche im Dorf, noch gibt es einen Priester am Ort. Und wenn der Pfarrer abwesend ist, behilft man sich mit Wortgottesdiensten. Leitende Pfarrmitarbeiter rechnen auch künftig damit, ein Zentrum zu sein. Schließlich gibt es schon jetzt rundherum priesterlose Gemeinden. Da kann doch nicht Pichl auch unbesetzt sein, so der Tenor.Vor hundert Jahren wurde Pichl als „reine Bauernpfarrei mit Gewerbebetrieben“ bezeichnet. Die teilweise alten Plaketten mit den Hausnamen im Kirchengestühl erzählen von dieser Zeit. Für den Kirchensitz wird heute noch einmal im Jahr bezahlt („geheizt öS 40,–, ungeheizt öS 25,–“). Und auch die Landwirtschaft spielt nachwievor eine wichtige Rolle. Durch die rege Bautätigkeit und die Ansiedlung von Betrieben, veränderte sich aber in den letzten Jahren der dörfliche Charakter. Viele aus der jüngere Generation, so berichtet eine Vertreterin der Kath. Jugend, wollen trotzdem – oder gerade deswegen – in Pichl bleiben. Die Errichtung von Mietwohnungen kam dem Wunsch vieler nach eigenen vier Wänden entgegen. Gekommen sind aber auch neue Bewohner/ innen, die die Nähe zur Stadt Wels, die ländliche Umgebung und die Anbindung an die Autobahn gleichermaßen schätzen. Der Kontakt zu dieser Gruppe bedeutet für die Pfarre eine große Herausforderung. Zwar wurde die Broschüre „Grüß Gott in Pichl“ aufgelegt, aber der persönliche Besuch von Neuzugezogenen verlief nach mehreren entmutigenden Erfahrungen im Sand. „Wie kommen wir an die Neuen heran?“ heißt die Frage, die sich die Pfarre stellen will. Da sich der Pfarrgemeinderat selten trifft, könnte die Antwort noch auf sich warten lassen. Im Moment jedenfalls ist die Kirchenrenovierung ein stärkeres Thema.56 Ortschaften um einen MittelpunktIm rund 27 Quadratkilometer großen Pichler Pfarrgebiet liegen 56 Ortschaften verstreut. Aber auch jene, die weit vom Ort entfernt leben, betrachten Pichl als ihr Zentrum. Kirche, Friedhof und Pfarrhof bilden in Pichl die Mitte. Noch sind die fünf Kindergartengruppen im Pfarrhof untergebracht, allerdings soll schon bald der neue, von der Gemeinde errichtete Kindergarten in Btrieb genommen werden. Auch ein neuer Friedhof muß schnell geschaffen werden. Bisher wurden die Toten rund um die Kirche beerdigt, aber jedesmal, wenn ein neues Grab dazukommen muß, beginnt das bange Fragen: Wo ist noch Platz?Mehrmals im Jahr gehen vom Pichler Zentrum kirchliche Botschafter in die Ortschaften hinaus: Die 60 Sternsinger der Jungschar etwa, die in 15 Gruppen durch die Pfarre ziehen. Oder die Ratschenkinder, die am Karfreitag von Haus zu Haus gehen.Noch eine Mitte gibt es, eine geistliche: Jede Woche trifft sich ein kleiner Gebetskreis in Familien, um die Anliegen der Pfarre und der Kirche ins Gebet zu nehmen. Initiatorinnen dieses Kreises sind die Schwestern Richardis und Clementine Lanner, die sich auch um die Sakristei, den Kirchenschmuck und den Pfarrhaushalt kümmern.Martine-MarktAuf die Pichler Frauen ist Verlaß. Jahr für Jahr bereiten sich die Mitglieder der Kath. Frauenbewegung und der Mütterrunde auf ihre Weise gründlich auf das Fest des Pfarrpatrons St. Martin vor. Sie basteln und stricken, kochen und backen, sie gestalten den Pfarrssaal und laden zum Martinimarkt. Und sie tun es nicht für die eigene Kasse. Der Erlös dient den Anliegen der Pfarre, in diesem Jahr natürlich der Finanzierung der Außenrenovierung.An der Abrechnung der Aktivitäten ist nie zu zweifeln. Pichl ist eine der wenigen Pfarren, die in jedem Pfarrblatt (fünf mal pro Jahr) unter der Rubrik „Dem Zechprobst in die Karten geschaut“ alle Einnahmen und Ausgaben offenlegt.Unterschiedliche KulturinitiativenAuf den ersten Blick haben der Pichler Männergesangsverein und der Verein „KulturCafé Pichl“ nur wenig mit der Pfarre zu tun. Aufs zweite Hinschauen jedoch sind beide mit der Pfarre verbunden. Der 1985 gegründete Männergesangsverein probt seit Beginn im Pfarrhof, die ersten Jahre sogar mit Pfarrer Romankiewicz als Chorleiter. Wie der Kirchenchor unter der Leitung von Kons. Lehfellner trägt auch der Männergesangsverein viel zur Gestaltung von Festen bei. – Der noch junge Verein KulturCafé bemüht sich auf andere Weise um kulturelle Zugänge zur gewohnten Umgebung. Sowohl in der Pfarrkirche als auch in den Filialkirchen St. Jakob und St. Valentin fanden bereits Kirchenkonzerte statt.Brandstetters HeimatgemeindeDer derzeit bekannteste Pichler ist zweifellos der Schriftsteller Alois Brandstetter, dem in Kürze anläßlich seines 60. Geburtstages auch die Ehrenbürgerschaft verliehen wird. Erst vor kurzem brachte die renommierte Frankfurter Allgemeine Zeitung unter dem Titel „Wissen Sie, wo Herr Brandstetter wohnt?“ ein ganzseitiges Porträt über Brandstetter und Pichl. Wie sehr der Autor seiner Heimat verbunden ist, zeigte er zuletzt im Oktober, als er rund 250 Teilnehmerinnen einer Kulturwanderung in seinem Haus bewirtete und mit einer Lesung beschenkte.Mutterpfarre im InnbachtalDer Name Pichl leitet sich vom mittelhochdeutschen Wort „bühel“ (Hügel) ab, weshalb auch das Gemeindewappen einen grünen Hügel zeigt. Über dem Hügel schweben zwei Kreuze mit halbem Querbalken. Dieses Motiv ist dem Wappen der Schmidtauer entnommen, die im 14. Jahrhundert Herren von Schloß Etzeldorf waren (Gemeinde Pichl).Die Gegend war, das beweisen Funde, bereits in der jüngeren Steinzeit besiedelt. Die erste gesicherte urkundliche Erwähnung Pichls freilich stammt aus dem Jahr 1134. Es handelt sich also um eine sehr alte Pfarre, worauf auch das Martins-Patrozinium der Pfarrkirche hindeutet. Einst gehörten zur Pfarre Pichl auch die Pfarren Gaspoltshofen, Bachmanning, Pennewang, Offenhausen und Steinerkirchen/Innbach, möglicherweise auch Meggenhofen.Die erste, gotische Pfarrkirche wurde bei einem Ortsbrand im Jahr 1750 vernichtet. Der Neubau wurde 1754 vollendet. Besondere Schmuckstücke sind die Altarbilder von Bartholomäo Altomonte. Vor hundert Jahren, 1898, wurde der jetzige Kirchturm erbaut.