Vor gut 200 Jahren war es umgekehrt. Kaiser Joseph II. hielt wenig von einer Kirche, die bloß dem Spirituellen verhaftet war. So löste er zahlreiche Klöster auf, die seiner Ansicht nach nicht auch für die Seelsorge, Bildung oder Sozialfürsorge Bedeutung hatten. Ein guter Teil von Pfarren geht allerdings auf die Zeit des Kaiser Josephs zurück. Die Struktur der Kirche war ihm ein Anliegen. Niemand sollte mehr als eine Stunde zu Fuß zur Kirche haben. Also entstanden viele neue kleinere Pfarren. Joseph II. hat damit erreicht, was ihm bei den Klosterauflösungen für sich allein genommen zu wenig war: Eine Stärkung der Frömmigkeit im Land, denn mit den Seelsorgern kam auch das Wort Gottes in die erlebbare Nähe der Menschen. Kardinal Christoph Schönborn vermutet, wie er sagt, zu viel Strukturen in der Kirche – und will mehr Spiritualiät ermöglichen. Aus diesem Grund hat er, wie er sagt, den für die Strukturpflege der Erzdiözese Wien zuständigen Generalvikar Helmut Schüller entlassen. Spiritualität braucht Bodenhaftung. Gerade das ist das große Plus der Kirchen: Daß sich der Glaube der Menschen in einer Gemeinschaft von Gläubigen zu bewähren hat. Und daß er einmünden kann in eine Struktur, die aus dem Glauben einzelner eine gemeinsame Sache macht. Struktur ist für kirchliche Begriffe kein schöner Name, aber eine notwendige Gegebenheit. Die Theologie spricht von Communio und meint damit Gemeinschaft. In der Fastenzeit ruft die Kirche besonders zur Besinnung. Kardinal Dr. Schönborn hat zu einer Strukturmaßnahme gegriffen.