Wer Bücher nicht nur liest, um sich die Zeit zu vertreiben, wer es liebt, im Lesen innezuhalten, weil er bei einem Gedanken verweilen will, weil ihn eine Wendung unvermutet veranlaßt, das Buch sinken zu lassen und einen Satz wie ein Bild von verschiedenen Seiten zu betrachten, ihn wie ein gelungenes Foto rahmen zu wollen oder doch bloß mit dem Bleistift anzustreichen, der wird wahrscheinlich Milan Kundera und seine Bücher zu schätzen wissen. Wenn nicht, wird er sie kennenlernen wollen. Denn die unvermutet im Fluß der Erzählung auftauchenden Kostbarkeiten finden ihre Liebhaber nur unter den Freunden der Nachdenklichkeit. Wer bloß Spannung und Gefühlsaufwallung sucht, wen die Ungeduld auf der Suche nach sich überstürzenden Ereignissen über die Seiten jagt, wird vor lauter Sätzen den Sinn überlesen. Wie im unscheinbaren Bericht über ein Gespräch:„Schließlich schaffte er es , sie ins Gespräch zu ziehen. Er nahm Tamina für sich ein, weil er Fragen stellte. Nicht durch den Inhalt seiner Fragen nahm er sie für sich ein, sondern durch die einfache Tatsache, daß er sie stellte. Mein Gott, wie lange war es her, daß jemand Antworten von ihr erwartet hatte! Es schien ihr eine ganze Ewigkeit! Nur ihr Mann hatte nie aufgehört, ihr Fragen zu stellen, weil Liebe eine unaufhörliche Befragung ist. Jawohl, ich kenne keine bessere Definition von Liebe.“ (Das Buch vom Lachen und Vergessen, Suhrkamp Verlag).Gratulation und Dankeschön zum 70. Geburtstag!Der Exiltscheche Milan Kundera aus Brünn lebt seit 1975 in Frankreich. Titel einiger wichtiger Bücher: „Der Scherz.“ „Das Buch der lächerlichen Liebe“, „Die Unsterblichkeit“, „Die unerträgliche Leichtigkeit des