27.04.1999 - Kirchenzeitung der Diözese Linz, DDr. Josef Schicho
Das Leben Jesu ist geprägt von seiner engen Beziehung zu Gott, seinem Vater. Mit ihm steht er in einem innigen Gespräch. Er nennt sich selbst den einzigen Sohn dieses Vaters und erzählt den Menschen von ihm. Er hat uns eingeladen, Gott auch als „unseren lieben Vater“ anzusprechen, auf seine Liebe zu vertrauen und uns nach seinem Willen auszurichten.
Vater und Mutter
Schon die Propheten des Volkes Israel haben das Bild von der Liebe der Mutter und des Vaters als Ausdruck für die Beziehung Gottes zu seinem Volk verwendet. Jesus setzt das fort. In vielen Gleichnissen spricht er vom Vater, der voller Liebe und Geduld an seinen Tisch lädt, der den letzten ebenso empfängt wie den ersten, der dem verlorenen Sohn entgegenläuft und ihn umarmt.Wir stehen nicht vor einem Gott des Schreckens, sondern dürfen die Erfahrung machen, daß Gott, der Vater Jesu Christi, auch unser Vater ist. Wir drücken dies im tiefsten Gebet unseres Glaubens aus, das uns Jesus selbst gelehrt hat – im „Vaterunser“.
Das große Vorbild
Jesus stellt unser gesamtes Leben und unser Verhalten in das Licht unserer Gottesbeziehung als Kinder des Vaters im Himmel und als Geschwister Jesu. Wir sollen barmherzig und vollkommen sein (Mt 5, 48), wie unser Vater im Himmel. Dieser Vater sorgt für uns genauso wie für die Blumen des Feldes und die Vögel des Himmels. Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen. Unser Vater im Himmel weiß, was wir brauchen (Mt 6, 32). So wie Jesus vom Vater gesandt ist und durch den Vater lebt, so werden auch wir durch Jesus leben (Joh 6, 37).Wir werden vom dreifaltigen Gott angenommen. Paulus schreibt im Römerbrief (8, 15): „Ihr habt den Geist Gottes empfangen, der euch zu Söhnen und Töchtern Gottes macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater!“ Im Wirken des Gottesgeistes, im Kind-Verhältnis zum Vater und im Geschwister-Verhältnis zu Jesus liegt auch unsere große Zukunft. Wir leben auf ihn hin (1Kor 8, 6). Wir werden Erben Gottes und Miterben Christi (Röm 8, 17). Jesus selbst bittet für uns (Joh 17, 24ff): „Vater, ich will, daß alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, sie sollen meine Herrlichkeit schauen . . . Ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und damit ich in ihnen bin.“
Problem-Väter
Nicht alle Menschen haben gute Erfahrungen mit ihren Vätern und Müttern gemacht. Deshalb ist es für manche schwierig, sich Gott als Vater und Mutter vorzustellen und auf diese Wirklichkeit hin zu leben. Viele spüren in sich meist aber doch eine tiefe Sehnsucht nach dem, was eine Mutter, ein Vater sein soll und kann. Wir Menschen können eine solche Elternschaft nur unvollkommen verwirklichen. Zutiefst zielt unsere Sehnsucht auf Gott als dem wirklichen Vater, der uns hält, uns versteht, der uns liebt und unser Bestes will.Vom Bild Gottes als liebenden Vater können und dürfen wir unseren Glauben, unser religiöses Leben gestalten. Von da her können wir Vertrauen und Hoffnung schöpfen. Von da her dürfen wir uns auch an die Beantwortung der Fragen machen, die uns bedrängen, wobei wir berücksichtigen sollen, daß der Glaube nicht in erster Linie dazu da ist, um offene Fragen zu beantworten, sondern um aus einer persönlichen Beziehung heraus das Leben vertrauensvoll gestalten zu können.
Das Gebet
Die Gottesbeziehung zeigt sich in besonderer Weise im Gebet. Beten ist einfach der Ausdruck der Beziehung, so wie zwei Menschen, die einander lieben, miteinander reden. Dazu gehört, daß wir vertrauensvoll unsere Sorgen aussprechen, aber auch unseren Dank und unsere Freude über die Liebe und Größe Gottes.Noch wichtiger ist aber, daß wir zu hören bereit sind: Gott spricht zu uns durch die Bibel, durch die in der Kirche lebendige Frohbotschaft, durch Menschen, durch unser Leben oder auch durch seine Nähe in der Stille.
Randbemerkungen
Gebetsschatz
Es gibt großartige Schätze, wie Menschen ihre Anliegen und Empfindungen Gott gesagt haben. Zu den schönsten Beispielen zählen die Psalmen der Bibel. Von Jesus haben wir die vertrauensvolle Hinwendung an den Vater lernen dürfen. Für viele Menschen ist Gebet einfach nur ein Still-Werden vor Gott, ein Sich-ihm-Öffnen.
Naturvölker
Es ist interessant, daß bei manchen sogenannten Naturvölkern Gebete entdeckt wurden, in denen Gott in kindlicher Weise als „Vater“ angerufen wird. So lautet z. B. ein Gebet bei Zulustämmen in Afrika:„Du Vater der Väter, laß die Donnerwolken strömen, laß uns und unsere Viehherden leben. Ich bin schwach vor Durst und Hunger. Ich möchte von den Früchten des Feldes essen. Bist du nicht unser Vater und Urahn? Wir wollen dich preisen und dir danken.“
Viele Bilder
Die Bibel bietet uns viele Bilder, um uns etwas über Gott zu sagen. „Vater“ und „Mutter“ (Hos 11, 1ff, Jes 49, 15 und 66, 13, Dtn 32, 18) sind wohl die eindrucksvollsten. Weitere Vergleiche sind: König, Hirte, Hebamme (Ps 22, 10), aber auch Fels, Burg, Quelle, Sonne, Löwe, Adler etc . Kein menschlicher Begriff kann Gott wirklich erfassen. Wir sollen aber durch diese Hinweise eine Ahnung bekommen und Vertrauen finden.