Dass sie die Familiensynode im Oktober genau verfolgen und nachher sogar in den Vatikan fahren wird, verrät Familienministerin Sophie Karmasin im Interview. Sie nimmt auch zur sozialen Lage der Familien in Österreich Stellung und spricht über Kinderbetreuungseinrichtungen als Chance für mehr Kinder in Österreich.
Aus aktuellem Anlass: Unter den Flüchtlingen sind viele Familien mit Kindern. Was tut das Familienministerium in diesem Bereich? Karmasin: Wir sind stark in der Integration jener tätig, die bleiben wollen. Schon das Gratis-Kindergartenjahr für die Fünfjährigen bringt da viel, ebenso das verpflichtende Beratungsgespräch bei Kindern, die noch nicht im Kindergarten sind. Gemeinsam mit Jugendorganisationen bieten wir Freizeitaktivitäten in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften für jene, die auf einen Asylbescheid warten. Und es gibt spezielle Familienberatungsstellen.
Familien auf der Flucht ist eines von vielen Themen auf der Familiensynode der Kirche: Beobachten Sie dieses Bischofstreffen im Oktober? Karmasin: Ich verfolge das sehr genau und bin froh, in der Woche nach der Synode zu Gesprächen in den Vatikan reisen zu können. Interessant fand ich schon die Umfrage unter den Kirchenmitgliedern: Hier wird eine Öffnung gefordert – und ich kann das nur unterstützen: Gerade beim Thema wiederverheiratete Geschiedene muss man sich den gesellschaftlichen Gegebenheiten anpassen: Leider gehen Beziehungen auseinander. Wenn sich aber Menschen wieder dazu entscheiden, Familie zu leben, dann finde ich, sollte das die katholische Kirche wertschätzen. Meine persönliche Meinung ist, sie sollte eine kirchliche Wiederverheiratung möglich machen.
Die Synode beschäftigt sich auch mit Armut. In Österreich haben Familien mit mehr als zwei Kindern ein doppelt so großes Armutsrisiko wie der Durchschnitt. Noch größer ist der Anteil bei Alleinerziehenden. Wie kann man das ändern? Karmasin: Wir mildern das bereits über Ausgleiche dramatisch ab – zum Beispiel über den Alleinverdienerabsetzbetrag oder über den Mehrkindzuschlag bei der Familienbeihilfe. Aber ein wichtiger Punkt, an dem wir weiterarbeiten müssen, sind die Möglichkeiten für Alleinerziehende, berufstätig zu sein. Da geht es um Kinderbetreuungseinrichtungen, gerade in dünn besiedelten Regionen.
45 Prozent der Sozialleistungsausgaben des Staates gingen 2014 in Altersleistungen wie Pensionen, 9 Prozent an Familien und Kinder. Sollten uns Kinder nicht mehr wert sein als bisher? Karmasin: Das ist weniger das Resultat von Steuerung, sondern ergibt sich aus der Bevölkerungsentwicklung: Die Menschen werden – Gott sei Dank – immer älter, aber wir haben zu wenig Kinder. Grundsätzlich denke ich, wir brauchen mehr Unterstützung, um unsere Geburtenrate auszubauen. Im letzten Jahr ist das ansatzweise gelungen. Aus Studien sieht man, dass hier nicht Geldleistungen, sondern eine bessere Vereinbarung von Familie und Beruf Früchte trägt. Hier wollen wir auch mit Unternehmen gemeinsam Angebote schaffen: gute Teilzeitjobs, das Aufteilen von Jobs, Betreuung im Unternehmen ...
Stichwort Geldleistungen: In Deutschland wurde das Elterngeld für jene, die für die Kinderbetreuung zu Hause bleiben, abgeschafft. Ein Argument für das Elterngeld war die Wahlfreiheit ... Karmasin: Die Wahl hat man ja trotzdem. Aber das Elterngeld hat leider gezeigt, dass es von Gruppen in Anspruch genommen wurde, bei denen eine Betreuung im Kindergarten sinnvoll gewesen wäre, zum Beispiel bei Menschen mit sprachlichen Defiziten. So gut gemeint dieses Elterngeld war: In der Realität hat sich gezeigt, dass das langfristig gesehen den Kindern eher schadet als hilft.
Der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen wird sehr gut angenommen. Zeigt das nicht, dass Österreich da zu lange nachgehinkt ist? In Frankreich gibt es die Betreuungsangebote schon lange – und eine deutlich höhere Geburtenrate. Karmasin: Wir haben lange versucht, das aus ideologischen Gründen wegzudiskutieren. Aber wenn man nüchtern die Zahlen betrachtet, dann ist klar: Wenn wir eine höhere Geburtenrate wollen – und ich glaube, das will auch die katholische Kirche –, dann sollten wir uns den Erwartungen der Eltern bei der Kinderbetreuung stellen.
Dennoch gibt es Meinungen, die sagen, eine frühe Fremdbetreuung schade den Kindern. Was sagen Sie dazu? Karmasin: Studien zeigen eindeutig, dass Kinder in einer qualitativ hochwertigen Frühkindbetreuung nicht leiden – eher ist das Gegenteil der Fall. Niemand will, dass einjährige Kinder zwölf Stunden in einer außerhäuslichen Betreuung sind. Aber ein paar Stunden am Tag und ein paar Tage in der Woche können für Kinder förderlich sein.
Sie verhandeln derzeit über ein Konto für das Kinderbetreuungsgeld („Karenzgeld“). Es soll mehr Flexibilität bringen und die finanzielle Schlechterstellung jener, die nur kurz in Karenz gehen, beenden. Wird das kommen? Karmasin: In den Grundzügen sind wir uns einig. Auch der geplante Partnerschaftsbonus – 1000 Euro, wenn sich Eltern das Kinderbetreuungsgeld mindestens 60:40 aufteilen – findet viel Zustimmung. Derzeit geht es um die Details, das ist zeitaufwendig. Eine Aufstockung der Mittel für das Kinderbetreuungsgeld bekommen wir leider nicht: Bei der Budgetsituation müssen wir froh sein, wenn es in der Höhe gleich bleibt.
Manche Frauen mit Kindererziehungszeiten und viel Teilzeitarbeit sind schockiert, wenn sie ihre Pensionskontoauszüge sehen. Sollte man bei den Pensionen die Kindererziehung nicht mehr als bisher (bis zu vier Jahren pro Kind) berücksichtigen? Karmasin: Dass der Staat die Pensionsbeiträge für teilzeitarbeitende Frauen einfach höher ergänzt, mag eine nette Idee sein – bei der Budgetlage ist das aber absurd. Ich sehe hier zwei andere Lösungen: Dass Pensionssplitting, bei dem Ansprüche des Vollzeit arbeitenden Partners mit dem anderen – zumeist ist das die Frau – geteilt werden, wird nur von sehr wenigen Paaren in Österreich genutzt. Das finde ich erschreckend. Die andere, optimalere Lösung wäre, dass beide – Mann und Frau – sich die Kindererziehungszeiten aufteilen. Dann wäre auch die Pensionsanrechnung nicht einseitig.
Sie sind dafür, dass das Standesamtverbot für eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften fällt. Heikel ist doch, ob man da von Ehe sprechen soll, was die Kirche ja ablehnt? Karmasin: Ich verstehe, dass es da Vorbehalte gibt, und man muss hier keine Ehe erlauben. Aber dass eingetragene Partnerschaften nicht am Standesamt geschlossen werden und homosexuelle Paare keinen gemeinsamen Familiennamen führen können, halte ich für die Diskriminierung einer Familienform, die verletzend und nicht notwendig ist. Das will ich ändern.