Rumänien: Der Vorarlberger Jesuit Georg Sporschill hat Körner der Hoffnung ausgesät
Ausgabe: 1999/18, Rumänien
04.05.1999 - Reinhard Maier
Kinder und Jugendliche kommen aus Kanallöchern, aus dunklen Stiegenhäusern, aus Häuserruinen und Metrostationen und laufen mir nach.
So erzählt Pater Georg Sporschill von einem seiner nächtlichen Streifzüge um den Nordbahnhof in Bukarest. „Wir wollen etwas zu essen! Hast du einen Platz für mich? Es ist kalt, ich möchte Schuhe!“ betteln sie.
Durch seinen Einsatz für die Straßenkinder in Bukarest seit 1991 ist dem aus Vorarlberg stammenden Jesuiten Rumänien zu seiner zweiten Heimat geworden. Daß ihn die Rumänen mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft als „einen der ihren“ aufgenommen haben, freut ihn ganz besonders.
„Wir kümmern uns inzwischen um rund 200 Kinder“, berichtet er. Auf der „Kinderfarm“ 80 Kilometer von Bukarest sind es mittlerweile elf Häuser plus Werkstätten – Bäckerei, Tischlerei, Schlosserei, Landwirtschaft. In Bukarest betreibt der Verein „Concordia“ ein Sozialzentrum gemeinsam mit den Orthodoxen. Dazu kommen drei Häuser für Straßenkinder. Bis Jahresende soll ein viertes Haus für weitere 40 Kinder fertig sein. Ein weiteres „Österreichhaus“ ist in Parterschaft mit der rumänischen Stadt Ploiesti geplant. „Es ist sehr wichtig, daß die Rumänen immer mehr eine führende Rolle in dem Projekt übernehmen, und das gelingt auch“, freut sich Pater Sporschill.Die Schulung der Mitarbeiter ist jetzt eine zentrale Aufgabe, um das Projekt von außen unabhängig zu machen. Erzieherinnen und Leiter der Lehrwerkstätten werden ausgebildet. Und immer wieder kommen auch Helfer aus dem Westen, die dabei unentgeltlich mitarbeiten.
Es gibt viele Helfer
Allein der Betrieb dieser 14 Häuser erfordert rund 8 Millionen Schilling pro Jahr, die zuerst einmal zusammengebettelt werden müssen. Allfällige Investitionen sind da noch nicht mitgerechnet. Viel Unterstützung findet Pater Sporschill in Österreich. Erst vor drei Wochen besuchte Bundespräsident Klestil das Straßenkinderprojekt und würdigte den Einsatz des Jesuiten mit dem Ehrenzeichen der Republik Österreich. Der österreichische und der rumänische Außenminister haben die Schirmherrschaft über das Projekt übernommen. Auch Kardinal König unterstützt Sporschill mit „geradezu jugendlichem Elan“, so der Jesuit. In seiner Heimat Vorarlberg, aber auch in einer Reihe anderer Diözesen sind viele Pfarreien und Gruppen für den initiativen Jesuiten aktiv. Er selber hat seine Wiener Pfarre wieder aufgegeben, um ganz für „seine Straßenkinder“ dazusein – vor Ort und beim Auftreiben von finanziellen Mitteln.
Rumänien: schwierige Lage
Nicht zuletzt durch die Beispielwirkung der Straßenkinderprojekte hat sich in Rumänien vieles zum Besseren gewendet. Eine ganze Reihe der früher berüchtigten staatlichen Kinderheime, die unter der Ceausescu-Diktatur regelrechte Gefängnisse waren, sind völlig erneuert worden. Die Lage in Rumänien ist nach wie vor sehr schwierig, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, die durch den Krieg im Kosovo noch verschärft wurde. Rumänien steht zwar sehr loyal zur NATO, der Krieg schmerzt in diesem Land aber auch deshalb besonders, weil auf beiden Seiten orthodoxe Christen stehen. „Kinder führen die Kirchen zusammen“, urteilt der orthodoxe Pfarrer Iustin Marchis aus Bukarest. Wurde der Einsatz der Katholiken – sie sind in Rumänien eine Minderheit von knapp 8 Prozent – anfangs noch kritisch beobachtet, so ist inzwischen eine gute Zusammenarbeit gewachsen. „Begonnen hat es mit dem sozialen Gedanken, und heute beten und feiern wir auch gemeinsam“, freut sich Pfarrer Iustin.
„Wir sind die Gewinner“
Der Erfolg bleibt nicht aus, freut sich Sporschill: Niculae, der Straßendieb war, ist Lehrling und will einmal die Landwirtschaft übernehmen, Costel, der von seiner geisteskranken Mutter verstoßen wurde, besucht sie regelmäßig in der Anstalt. Er macht jetzt die Gesellenprüfung als Bäcker. Constantin, früher einer der Schwierigsten, arbeitet schon seit zwei Jahren bei einer amerikanischen Filmgesellschaft. „Im Einsatz für die Straßenkinder sind wir es, die gewinnen“, so Sporschill. Wir geben Brot und empfangen dafür Sinn und Lebensmut und die Fähigkeit, das eigene Glück zu spüren.
Der Papst in Rumänien
Vom 7. bis 9. Mai wird Papst Johannes Paul II. in die rumänische Hauptstadt Bukarest reisen. Der Besuch gilt als „historisch“, weil der Papst erstmals in ein mehrheitlich orthodoxes Land kommen wird. Die vom Papst so sehr gewünschte Annäherung an die orthodoxen Kirchen hatte sich in den Jahren seit dem Ende des Kommunismus als außerordentlich schwierig erwiesen. Das Hauptproblem waren die katholischen Ostkirchen in der Ukraine und Rumänien, die ihre erzwungene Einverleibung in die Orthodoxie abzustreifen versuchten.