Das wurde alles anders. Die Braunauer Pfarren blicken etwas besorgt in die Zukunft.
Ausgabe: 2000/25, Braunau
20.06.2000 - Matthäus Fellinger
Ein Pfarrer starb mit 41 Jahren. Die Braunauer Pfarre St. Franziskus und die anderen Pfarren stehen vor einer neuen Situation.
Eigentlich hätte sich Dagmar Ruhm ihren Einstieg als Pastoralassistentin in Braunau-St.Franziskus im Herbst letzten Jahres anders vorgestellt. Da erkrankte Pfarrer Horst Watzinger schwer. Mit 41 Jahren starb er am 13. Mai dieses Jahres. Die Pastoralassistentin und die Pfarrgemeinderäte der Braunauer Vorstadtpfarre St. Franziskus erlebten, wie mit einem Mal plötzlich vieles anders wurde. Prof. Franz Gasteiger, ein pensionierter Priester, hilft jetzt regelmäßig aus. Stadtpfarrer und Dechant KsR. Stefan Hofer ist vorläufig außerdem für St. Franziskus zuständig. Er ist Mitglied bei der Feuerwehr. Seine diesbezügliche Erfahrung ist auch in der Seelsorge gefragt. Die Hoffnungen sind jetzt nach Linz gerichtet: Wird der Generalvikar wieder jemanden schicken? Sorgen wie diese werden für den Dechant nicht weniger werden. Das hohe Durchschnittsalter des Klerus im Dekanat macht Lösungen zunehmend schwieriger. So ist in Ranshofen der 82-jährige Msgr. Franz Fischböck immer noch als Pfarrer im Amt. „Es gibt genug Leute in der Pfarre, die einem sagen, was zu tun ist“, weiß die Pastoralassistentin mit ihrer Situation inzwischen ein Stück gelassener umzugehen. In einer Zeit des Aufbruchs und der Hoffnung wurde St. Franziskus gegründet. Die Kapuziner haben ihr neu errichtetes Zentrum der neuen Pfarre vor 25 Jahren übergeben. Eine Last, wie sich später herausstellte, denn die junge Pfarre hatte sich auf Grund des schlechten Bauzustandes ständige Sorgen eingehandelt. Albert Casater, Pfarrgemeinderats-Obmann, weiß ein Lied davon zu singen. Rund 100.000 Schilling müssen jährlich allein für Energie aufgewendet werden. Längst fällige Sanierungen werden auf Grund fehlender Zusagen aus Linz nicht in Angriff genommen. Der Pfarrsaal dient zugleich als Kirchenraum. Bei den Gottesdiensten beginnt der Raum zu leben. Die Enge erlaubt Nähe. Vor allem der Kinder-Liturgiekreis trägt viel zur Lebendigkeit der Gottesdienste bei. Selbst an Hörgeschädigte ist gedacht. Eine Induktionsschleife erleichtert ihnen das Mitfeiern, eine Selbsthilfegruppe bewahrt vor drohender Isolation.
Steckbrief
Vier Pfarren gehören zu Braunau. Die Stadtpfarre Baunau-St. Stephan umfasst den Stadtkern mit rund 3400 Katholiken, die Stephanskirche im Mittelpunkt. Pfarrer ist hier Dechant KsR. Stefan Hofer. Die Pfarre Braunau-Maria Königin wurde 1941 in Höft errichtet, 1950 wurde Kirchweihe der Maria-Königin-Kirche gefeiert. Als Filialkirche gehört die Valentinskirche in Haselbach dazu. Pfarrer ist KsR. Kurt Hahn. Es leben hier rund 3460 Katholiken. Die Pfarre Braunau-St.Franziskus mit rund 2300 Katholiken besteht erst seit 1971, 1976 hat die Pfarre von den Kapuzinern deren neues Kloster als Pfarrzentrum übernommen. Die Kapuziner verließen Brauau. Pastoralassistentin ist Mag. Dagmar Ruhm, Pfarrmoderator Dechant Stefan Hofer. Zu den drei Stadtpfarren selbst kommt die Pfarre Braunau-Ranshofen mit knapp 3000 Katholiken. Sie wird von Pfarrer Msgr. Franz Fischböck geleitet. Am Industriestandort Braunau bietet neben den Pfarren das Betriebsseelsorgezentrum Braunau-Ranshofen seine Dienste an. Die Umstrukturierungen in der Aluminiumproduktion haben besondere Begleitung gefordert.
Hier endet die Diözese Linz
Dorf, Stadt, Industrie. Braunau ist eine Stadt mit vielen Gesichtern.
Drei Pfarren, drei Gesichter einer Stadt. Drinnen im Zentrum die altehrwürdige Stadtpfarre St. Stephan mit dem alles überragenden Turm, dem bürgerlichen Umfeld, den Geschäften um den Stadtplatz herum. Am Ende des Platzes, an der Innbrücke nach Simbach hinüber, endet die Diözese Linz.Draußen die Vorstadt. Freizeitgebiete, Wohngebiete. Die Arbeiter, die nach Braunau zugezogen sind, haben hier Wohnungen gefunden, viele Gastarbeiter waren darunter. Die Industrie von Ranshofen ist nicht weit. Inmitten dieses Gebietes, fast unauffällig, die Kirche von St. Franziskus. Sie hat nicht einmal einen Turm. 12.000 Leute sollten nach dem ursprünglichen Konzept hier wohnen, doch die Rechnung ging nicht auf. Rund 2300 Katholiken zählt die Franziskus-Pfarre heute. Nördlich davon: Braunau, das Dorf. Inmitten der Idylle die St.- Valentins-Wallfahrtskirche von Haselbach. Erst 1999 feierte die Pfarre Maria Königin das 700-Jahr-Jubiläum der ersten urkundlichen Erwähnung ihrer Filialkirche. In Höft hat man für die Flüchtlinge nach dem Krieg die Pfarrkirche Maria Königin gebaut. Linz ist weit weg. Viele Angebote der Diözese können die Braunauer nur schwer nutzen. Zum nächsten Bildungshaus in Ried-St. Franziskus ist es so weit wie von Linz nach Steyr. Jeden Mittwoch kommen die Seelsorger/innen von Braunau zusammen, um an einem Tisch die gemeinsamen Anliegen zu besprechen. Braunau ist längst zu einem „Seelsorgeraum“ geworden. Die Fronleichnamsprozession wird gemeinsam von den Braunauer Pfarren gestaltet, auch den Allerseelengottesdienst feiern die Pfarren gemeinsam.
Braunau ist Schulzentrum
Im Hinblick auf die Jugendarbeit hoffen die Pfarrverantwortlichen auf eine gemeinsame Lösung. Es fehlt an Leuten, die sich um die Jugend annehmen. In der Stadtpfarre baut Anna Hauser die Jungschar auf. Aber was kommt dann? Interesse bei Jugendlichen wäre da. Firmgruppen könnten fortgeführt werden. Braunau ist ein wichtiges Schulzentrum. Von der Höheren Technischen Lehranstalt bis zum Gymnasium, von den Krankenpflegeschulen bis zu den fünf Volksschulen gibt es eine breite Palette an Schulen. Insgesamt sind so an den Braunauer Schulen 35 Religionslehrkräfte beschäftigt. Für Jugendliche bestehen die Pfarrgrenzen kaum, sie sind dort zu finden, wo die Schulen liegen. Das erschwert eine Jugendseelsorge in den Randpfarren. Wichtig in einer Bezirksstadt sind Sozialeinrichtungen wie der Carla-Laden der Caritas in der Salzburger Straße. Dort kann man sich mit Gebrauchtwaren versorgen. Ein Verein kümmert sich um die Resozialisierung Haftentlassener. Das Krankenhaus der Franziskanerinnen von Vöcklabruck sowie das Bezirksaltenheim sind für den Großraum um Braunau wichtig. Hilfe hat oft einen konkreten Namen. So ist den Braunauern noch immer die „Mutter Teresa von Braunau“ ein Begriff: Therese Doppler, die bis übers 80. Lebensjahr durch die Stiegenhäuser von Braunau unterwegs war, um Hilfe zu organisieren. Vor zwei Jahren ist sie gestorben.
Pfarrsplitter
- Stadt und Kirche. Die Zusammenarbeit mit der Stadt wird von den Pfarren sehr gelobt. Bürgermeister und Dechant haben zum Beispiel zu Weihnachten gemeinsam Menschen, die allein sind, eingeladen, zusammen mit ihnen Weihnachten zu feiern. Beim ersten mal waren es zwar nur sieben, die gekommen sind. Bei einem weiteren Mal könnten es schon mehr sein.
- Glaubenserneuerung. Die Charismatische Erneuerung ist in Baunau fest beheimatet. So hält seit zehn Jahren Pfarrer Franz Schobesberger aus Brunnenthal Glaubensseminare in der Franziskus-Pfarre. Stark verankert ist auch die Cursillo-Bewegung in Braunau.
- Frauen. Gemeinsam feiern die Frauen von Braunau den ökumenischen Weltgebetstag der Frauen. Da machen auch die Simbacherinnen von der bayerischen Seite mit. Die Katholische Frauenbewegung ist die am besten verankerte Organisation der Katholischen Aktion in Braunau.
- Gemeinsames Bildungswerk. Das Katholische Bildungswerk wird von den vier Pfarren – auch Ranshofen – gemeinsam betrieben. Weihbischof Helmut Krätzl war zuletzt Gast im Rahmen einer Erinnerungsreihe an das Konzil.
- Kolpinghaus. Das Kolpinghaus in Braunau, im Schulzentrum gelegen, führt ein Mädchenwohnheim vor allem für Berufsschülerinnen und einen Schülerhort. Im Haus ist auch die Lebenshilfe untergebracht.