400.000 Nächtigungen im Jahr, außerdem bis zu 6.000 „Tagesgäste“. St. Wolfgang lebt nicht nur von Touristen, sondern vor allem mit seinen Gästen.
Ein Hotel neben dem anderen. Fast jedes Haus in St. Wolfgang beherbergt in der Sommersaison Gäste. Neben dem Tourismus gibt es kaum Erwerbsmöglichkeiten. Jetzt im Winter „erholen“ sich die Einheimischen für die Saison. Trotzdem: Auch jetzt sind Gäste da, und sie können St. Wolfgang von der stillen Seite erleben. Ab Ende April, wenn die Fußwallfahrer-Gruppen aus Altötting kommen, wird es rührig. Anfang Mai ist Saisoneröffnung – mit einem Festgottesdienst in der Kirche.Tourismus, Pfarre und Gemeinde brauchen einander. Es sind ja überall dieselben Leute. Die Informationen der Pfarre liegen in den Gastbetrieben selbstverständlich auf. Während der Saison wird in der Kirche eine zusätzliche Messe gefeiert. Auf dem Campingplatz betreibt P. Johannes Deutsch aus Leoben im Sommer die Campingseelsorge.
„Es ist aber nicht nur so, dass der Tourismus auf St. Wolfgang abfärbt“, sagt Pfarrer Helmut Köll. „St. Wolfgang mit seiner echten und lebendigen Tradition gibt den Gästen viel mit nach Hause.“ Und ganz zuerst meint der Pfarrer damit die Pfarrkirche mit ihren „stummen Predigern“ in den Kunstwerken.
„Bei uns ist immer offen“, erzählt Mathilde Windhager. Sie meint die Pfarre und vor allem die Kirche. An keinem Ort des Landes werde das Diözesanmotto für die Fastenzeit „geöffnet“ so wörtlich genommen. „Mitten in der Saison, da droht einem schon einmal die Luft auszugehen“, meint Anni Sarsteiner. Dass die Sache echt bleibt und dass man den Gästen nicht nur etwas „vorspielt“, das wäre die große Herausforderung an jeden einzelnen. „Sonst sind wir nicht mehr als ein großer Musikantenstadl“. Bis jetzt ist es gelungen – und die Freude am Miteinander mit den Gästen merkt man den Gesprächspartnern an.
In St. Wolfgang stehen die Menschen auch im Leid zusammen. Zum Ausdruck kommt das bei Begräbnissen: „Gäste fragen oft, welch Prominenter denn gestorben ist, wenn sie die vielen Leute sehen, die mitgehen“, erzählt Pfarrgemeinderats-Obmann Andreas Sailer. Und bei jedem Begräbnis spielt eine der beiden Musikkapellen. Ihre Tradition des Zueinanderstehens haben die St. Wolfganger auch für sich selbst bewahrt.
Steckbrief:
Am seidenen Faden
Vergangenes Wochenende herrschte Feststimmung in St. Wolfgang. Bischof Maximilian Aichern war hier zur Visitation. Ein „seidener Faden“ führte früher durch den Wolfgangsee. Hier Oberösterreich, dort Salzburg. Als einmal ein Bewohner der anderen Seite aus dem salzburgischen St. Gilgen in St. Wolfgang starb, durfte er nicht in seinen Heimatort zurückgebracht werden, er fand sein Grab in der „Fremde“. Die Zeit ist vorbei. Kirchlich schon lange! St. Wolfgang liegt im äußersten Winkel Oberösterreichs und die Pfarren um den Wolfgangsee arbeiten längst gut zusammen. Symbolisch haben auch die politischen Gemeinden vor zwei Jahren den seidenen Faden durchschnitten und es besteht eine gute Partnerschaft über Landesgrenzen hinweg. Schließlich hängt das Wohl an einem gemeinsamen seidenen Faden – und das ist der Fremdenverkehr. Handwerksberufe sind eine zweite Erwerbsmöglichkeit, Industrie und Großbetriebe gibt es nicht.
St. Wolfgang hat heute 3.384 Einwohner, mit eingerechnet die Zweitwohnbesitzer. Schafberg, Postalm, der See selbst – es ist eben eine der schönsten Gegenden des Landes.
Kirche als „Wohlfühlstudio“
Nach Rom, Einsiedeln und Aachen war St. Wolfgang einst bedeutendster Pilgerort der Christenheit.
„Wohlfühlstudio“ steht auf dem Schild des Hauses zwischen Kirche und dem weltberühmten „Weißen Rössl“. Was das Haus an Gutem verheißt, gilt auch für die Kirche. Der Legende nach hat der heilige Wolfgang als Bischof von Regensburg hier das erste Kirchlein errichtet. Als Einsiedler hat er um das Jahr 976 hier gelebt. Der hl. Wolfgang ist bekanntlich in Pupping im Jahr 994 gestorben. Vermutet wird, dass am Standort der Kirche schon in heidnischer Zeit ein „heiliger Bezirk“ bestand. Der unregelmäßige Grundriss der Wolfgangkirche deutetdarauf hin, dass man diesen „Heiligen Ort“ gewissermaßen mit der Kirche umfassen wollte. Die kunstvollen gotischen Kreuzrippen tragen und prägen das Gewölbe der Kirche. Wie die Finger einer schützenden Hand schaffen sie sozusagen einen Schutzraum für die Menschen in ihren vielfältigen Nöten. Zugleich zieht das Gewölbe den Blick nach oben, lässt aufsehen von den Niederungen und Enttäuschungen des Lebens. Der Blick nach oben wird zum Blick in eine verheißene Welt. Kunstvoll ausgemalt ist das Gemäuer der Wolfgangkirche zwischen den Kreuzrippen.Als der in zehnjähriger Arbeit der vom Tiroler Michael Pacher für die Kirche am Wolfgangsee geschaffene Flügelaltar unter diesen Gewölben im Jahr 1481 aufgestellt wurde, hatte die Wallfahrt nach St. Wolfgang ihren Höhepunkt erreicht. Nach Rom, Einsiedeln und Aachen war St. Wolfgang damals der bedeutendste Pilgerort der Christenheit. So unterschiedlich ist es nicht, was die„echten Pilger“ und die Touristen in dieser Kirche finden können. Selbst jetzt, außerhalb der Saison, ist kaum einmal eine Zeit, zu der nicht wenigstens ein Mensch in der Kirche anzutreffen wäre – fotografierend, betend, schauend. Es lohnt sich, das sehr gute Heft über die „Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Wolfgang“ für den Besuch zu erwerben.„Jeder und jede für sich soll etwas mit nach Hause nehmen können“, sagt Pfarrer Helmut Köll.
Pfarrnotizen:
Ein offenes Haus für alle
Was die Kirche in St. Wolfgang durch die Jahrhunderte hin den Menschen geschenkt hat, wird durch das neue Pfarrheim noch vertieft. 1997 wurde das „Michael Pacher-Haus“ von Pfarre und Gemeinde eröffnet. Es hat eine enorme Belebung gebracht. Für alle Veranstalter im Ort steht ein attraktives Veranstaltungszentrum zur Verfügung. Prominenteste Gäste waren die Landwirtschaftsminister der Europäischen Union, die hier ihre große Konferenz während der österreichischen EU-Präsidentschaft gehalten haben. Gerade ist der große Saal vorbereitet für eine Aufführung der Theatergruppe, die hier für Einheimische und Gäste stets ihr Bestes gibt. Die Einnahmen werden immer für aktuelle Notsituationen gespendet. Im Obergeschoß hat die Bücherei ihren Platz. Die Pfarre hat diese von der Gemeinde übernommen. Demnächst bekommt die Bücherei einen „Internet-Raum“ dazu.Ob Pilgergruppen oder Kongresse, Hochzeitsfeiern oder eben Pfarrfeste – hier können die Leute auch bewirtet werden. Pfarrgemeinderats-Obmann Andreas Sailer ist „Pächter“ und somit auch Wirt im „Gemeindeanteil“ des Hauses. Früher war er Segelmacher. 14tägig trifft sich im Haus die Bibelrunde, geleitet vom Pfarrer. Jetzt ist eine ökumenische Runde daraus geworden, denn es machen auch die evangelischen Christen mit.
Lebensdank
Die Menschen mit runden Geburtstagen werden jährlich zur „Jahrgangsfeier“ eingeladen. Früher war dies in St. Wolfgang ein eigenes Fest, jetzt wird es zusammen mit dem Erntedankfest gehalten – als Lebens-Dankfest sozusagen für das, was man bisher schon erleben durfte. Bei Festen mit Prozessionen – wie Fronleichnam oder am Palmsonntag – gibt es unter den Einheimischen praktisch keine Zuschauer – sie sind alle mit dabei.