Wir leben heute in einerSpaßgesellschaft. Mit ihr hat Alt-Bischof Reinhold Stecher wenig Freude.
Es gibt nun einmal nichts Menschliches, das nicht verfälscht, verzerrt, übertrieben, korrumpiert und gestört werden könnte. Dies gilt auch für die Freude und dem kleineren oder größeren Glück, das wir in dieser Welt erhoffen dürfen.Die Verflachung und Verfälschung der echten Freude übernimmt heute die Spaßgesellschaft. Sie ist die ausgeflippte Tochter der Wohlstandswelt. Sie ersetzt die echte Freude mit gan-zen Wellen von vordergründigem Nur-Vergnügen und Lärm. Sie muss sich immer neue Sensationen und Events einfallen lassen, um den Eindruck zu vermitteln, dass das Leben nur aus Spaß besteht und dass alles, was nicht unmittelbar Spaß macht, nichts wert ist. Und weil in diesen Branchen der Spaßgesellschaft viel schnelles Geld rollt, ist sie mächtig.
Das Menü der Spaßgesellschaft
Ich habe mir neulich das Wochenprogramm eines Privatfernsehsenders mit großer Reichweite durchgesehen, das für die all-abendliche Berieselung zusammengestellt ist. Da haben wir’s vor uns, das Menü der Spaßgesellschaft: Zur Vorspeise ein bisschen Wrestling oder einen Happen Radfahr-Doping. Dann eine leichte Quizprogrammsuppe mit atemberaubenden Bildungsfragen. Zum Hauptgang ein gepfeffertes Sex-Steak mit Erotik-Remoulade oder Brutal-Ketchup. Zum Nachtisch einen Ballermann-Schmarrn und ein reiches Käsesortiment aus allen Bettgeschichten der Königshäuser und der Starwelt. Zum Drüberstreuen einen hochprozentigen Weltraumhorror-Schnaps. Und alles serviert mit der Tafelmusik der Werbung, die uns daran erinnert, was uns alles noch zum vollkommenen Glück fehlt.Das ist modellhaft das Menü der Spaßgesellschaft. Und man bekommt ein unangenehmes Gefühl, wenn man bedenkt, dass dies für viele Menschen das einzige Futter für Herz und Geist ist. Es ist das Spiel mit dem ungebremsten Habenwollen und dem hemmungslosen Genießenwollen, das geschickte Manipulieren der Tastatur der Triebe, die Inszenierung eines hektisch-grellbunten bilderjagenden Vordergrunds.Sagen wir lieber nicht, sie könne uns nichts anhaben, die Spaßgesellschaft. Sie verspricht ja weitgehend mühelosen Genuss. Sie braucht nur etwas Geld und einen Knopfdruck, und wir können sie in unseren privatesten Raum holen. Und so kann sie sehr wohl hintergründig unsere Einstellung zum Leben, zur Arbeit und zur gesunden Mühe des Daseins beeinflussen. Vermutlich hat sie auch etwas mit unserer schwindenden Frustrationstoleranz zu tun, sodass wir immer weniger aushalten und davor zurückscheuen, uns durch das Unangenehme durchzubeißen.
Vergnügen und Freude decken sich nicht
Es ist der Mühe wert, uns dieser geheimen Macht in unserer Gesellschaft bewusst zu werden. Es gehört zur Bildung im tiefsten Sinn des Wortes, solche Wellen des Zeitgeistes zu erkennen und sie mit einer Bugwelle zu durchschneiden.Es gibt sicher ein ganz legitimes Bedürfnis nach Vergnügen und Unterhaltung. Aber darüber darf man nicht vergessen, dass das eigentliche Glück, die Freude im Vollsinn, weder ein Jagdwild noch eine Ware ist. Das Glück ist eine Zugabe, die Freude ein von Zeit zu Zeit überraschendes Geschenk. Die Freude hat tiefe Wurzeln. Freude und Amüsements decken sich nicht:
– Das Amüsement begnügt sich mit dem Augenblick, die Freude überstrahlt das Gestern und Morgen.
– Das Amüsement kann man kaufen, die Freude hat immer die Schleife des Geschenks.
– Das Amüsement hat mehr mit Befriedigung zu tun, die Freude mit dem Glücklichsein.
– Im Vergnügen lebt der Mensch „in sich hinein“, mit der Freude „über sich hinaus“.
– Amüsement vertreibt die Zeit, Freude erfüllt sie.
– Wenn sich das Amüsement vom Sessel erhebt, setzt sich gleich die Langeweile drauf. Die Freude macht der Dankbarkeit Platz.
– Vergnügen bietet Ablenkung, Freude motiviert.
Soziologen und Psychologen haben vor dem Scheitern der Spaßgesellschaft schon gewarnt. Aber wir müssen uns auch als Christen vor dieser Lebenseinstellung warnen lassen. In der Spaßgesellschaft wirbelt, funkelt und tobt etwas von jener Lebensart, die der verlorene Sohn vertrat, bevor er beim Schweinetrog eines missglückten Lebens landete.
Auszug aus der Predigt von Alt-Bischof Stecher vom 24. Juni 2001 beim Semesterschluss-Gottesdienst der Innsbrucker Universitätspfarre.