Ausgabe: 2002/10, Jarosch, Jesus, Pasching, Philipp von Zabern, Verlag
06.03.2002 - Kirchenzeitung der Diözese Linz
„Wir wissen mehr von Jesus, als es vordergründig der Fall zu sein scheint“, ist Prof. Karl Jaros überzeugt. In seinem Buch „Jesus von Nazareth“ macht er Leben und Botschaft Jesu lebendig.
Es gibt einen Vielzahl von Jesusbüchern. Warum vermehren Sie die Bücherflut?
Jaros: Mir hat die Berücksichtigung der jüdischen Wurzeln Jesu gefehlt. In meinem Buch habe ich daher besonders auf Jesus, den Juden, geachtet und viele Denkanstöße von jüdischen Freunden und Gelehrten aufgenommen.
In Ihrer Darstellung der Umwelt Jesu nimmt der Tempel einen auffallend breiten Raum ein ...
Jaros: Die jüdische Religion dreht sich um den Tempel – in Ablehnung oder in Zustimmung. Der Tempel war Heiligtum, aber auch Nationalbank, wegen seiner Bibliothek Zentrum der Gelehrtenschulen und zur Zeit Jesu Arbeitgeber für 25.000 Handwerker. Und am Tempel wurde der Kalender mit den Festzeiten erstellt. Ein Jesusbuch zu schreiben, ohne einen Schwerpunkt auf den Tempel zu legen, ist unmöglich.
Sie erklären das Wirken Jesu auf dem Hintergrund seines Judeseins. Was hat Jesus dann Neues gebracht?
Jaros: Sehr viel. Ein Angelpunkt ist das Verständnis vom Reich Gottes. Jesus bezieht im Unterschied zu seiner Umwelt das Reich Gottes auf seine Person. Der einzelne, der in Gemeinschaft mit ihm lebt, – in dem ist das Reich Gottes Wirklichkeit. Das Abendmahl zeigt die tiefste Form auf, wie man sich mit Jesus verbinden und wie das Reich Gottes real werden kann. Jesus bringt eine Verinnerlichung, die gleichzeitig aber für die Gestaltung der Welt eine große Auswirkung hat. Ein Blick in die Geschichte der Kirche macht deutlich, dass das Reich Gottes dort am hellsten aufleuchte, wo Menschen Jesus am aufrichtigsten nachgefolgt sind.
Durch das Gebot der Feindesliebe und die Hinwendung zu Außenseitern radikalisiert Jesus das Gebot der Nächstenliebe. Er eröffnet seinen Jüngern auch ein neues Verständnis von Gott.
Jaros: Nicht die Bezeichnung Gottes als „Vater“ ist neu, aber die Dichte und Prägnanz, in der Jesus Gott als Vater verkündet. Mit dem aramäischen Wort Abba macht Jesus deutlich, wer Gott ist. Abba ist einerseits mit „mein Papa“ zu übersetzen und meint die vertrauensvolle kindliche Beziehung zu Gott. Abba heißt aber auch „der“ Vater: Das Wort hat damit einen feierlichen, hoheitsvollen Klang. Jesus verbindet in einzigartiger Weise beides: ein tiefes, persönliches und ein reifes Verhältnis zu Gott. Gott wird dabei nicht als der gute, alte Papa verniedlicht.
Um Ostern werden sicher wieder Theorien über das „leere Grab“ für Schlagzeilen sorgen ...
Jaros: Für mich steht außer Zweifel: Wenn es kein leeres Grab gegeben hätte, hätten die Jünger nicht von der Auferstehung sprechen können. Ihre Verkündigung wäre chancenlos gewesen.
Zwei Jahre haben sie an dem Jesus-Buch gearbeitet. Welche Beziehung haben sie persönlich zu Jesus?
Vorweg: Ich möchte nicht die verschiedenen Religionen abwerten. Aber für mich ist Jesus der einzige Weg zu Gott. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Ohne diese Überzeugung und dieses Bewusstsein hätte ich das Buch nicht schreiben können.
Interview: Josef Wallner
Zum Buch und zum Autor
Univ. Prof. Karl Jaros (Pasching) ist Bibelwissenschafter und lehrt am Institut für Orientalistik in Wien. Sein Buch „Jesus von Nazareth. Geschichte und Deutung“ macht das Leben Jesu lebendig: seine Kindheit, seine Botschaft, seinen Gottesglauben, sein Scheitern am Kreuz und die Kunde von der Auferstehung. Es ist wissenschaftlich fundiert, sehr verständlich geschrieben und ein Gewinn für jeden Bibel-Interessierten.
Erschienen ist das Buch (381 Seiten) im Verlag Philipp von Zabern. Preis: 36,05 Euro (496,– Schilling).