Wer vor einer größeren Entscheidung steht, fagt sich: Woran erkenne ich, dass meine Wahl stimmt?
„Ich bin so froh, dankbar und ermutigt durch alles, was mir geschenkt worden ist. Ich erlebe, wie viel gut und versöhnt worden ist.“ So schrieb mir vor einigen Tagen Birgit, eine junge Frau, die in Exerzitien ihre Lebensentscheidung getroffen hatte. Beim Lesen dieses Briefes ist zu spüren, dass ihr Leben in Einklang gekommen ist, dass der Weg „stimmig“ ist. „Nehmt Gottes Melodie in euch auf“, schreibt Ignatius an die Gemeinde von Ephesus. In Birgit ist sie offensichtlich zum Klingen gekommen.
Der dreifache Klang der einen Stimme Gottes
Wenn wir vor größeren Entscheidungen stehen, vor der Wahl einer Lebensform, eines bestimmten Berufes, einer längeren Verpflichtung, vor dem endgültigen Ja zu einem Menschen oder einer Gemeinschaft, so fragen wir uns gewöhnlich: Woran erkenne ich, dass diese Wahl stimmt, dass ich diesem Weg trauen und ihn durchhalten kann? Werde ich darin Erfüllung finden? Weil solche Entscheidungen für uns selbst und andere oft große Tragweite haben, gilt es dabei ganz besonders gut hinzuhören, damit nicht etwas unbeachtet auf der Strecke bleibt und später den eingeschlagenen Weg blockiert. Gottes Ruf will zum Leben in Fülle führen. Seine Stimme ist allerdings in einem dreifachen Klang zu hören.
- „Die Gnade baut auf der Natur auf“, ist ein Grundsatz der Theologie. Gott überfordert nicht. Was jemand nicht kann, was so gegen seine Natur ist, dass er/sie dabei halb oder unglücklich wird, kann nicht Wille Gottes sein. Der „passende“ Weg, eine wirkliche Berufung, kommt der Natur gleichsam entgegen, sie klingt mit dem Gewordensein zusammen. Der Charakter, die Bedürfnisse stehen nicht zentral im Widerspruch dazu. Gewöhnlich zeigt meine Lebensgeschichte, „was ich wirklich tun und leben kann“. Mein Weg gelingt, wenn ich als ganzer Mensch auf Gott hin unterwegs bin, und nicht als Roboter oder willentlich zurechtgestutzt. Dies wäre eine tickende Bombe wachsender Unzufriedenheit.
- Meine Sehnsucht als bewegender Klang der Stimme Gottes. Im Evangelium fällt auf, dass Jesus immer wieder nach der Sehnsucht fragt: „Was sucht ihr“ (Joh 1,38). „Was willst du, dass ich dir tun soll?“ (Mk 10,51). Der Herr nimmt die Sehnsucht des Menschen ernst, denn „die Sehnsucht ist der Anfang aller Dinge“ (Nelly Sachs). „Was möchtest du einmal gelebt haben, wenn dein Ende naht?“ „Was möchtest du, dass einmal andere von dir sagen, wenn du gestorben bist?“ Mit solchen Fragen taucht die tieferliegende Sehnsucht auf, die Gott in uns gelegt hat, die uns motivieren kann und uns den „erfüllenden Weg“ anzeigt. Ich darf und soll mich selber fragen, „was ich wirklich leben möchte“.
- Das Berührtwerden vom „Gegenüber“ als lockender Klang der Stimme Gottes. Alles, was wir wahrnehmen, löst in uns einen Klang, ein Echo aus. Manches davon berührt in besonderer Weise unser Herz, reißt uns aus alten Gleisen, beunruhigt uns, ist wie ein Locken, ein Werben, das wir nicht vergessen und verdrängen können. Dies mag die Erfahrung mit einem armen Menschen sein, Bilder der Not, ein Wort des Herrn in der Schrift, die Bemerkung eines Freundes, ein Ereignis, eine Stellungnahme der Kirche. Der Ton der Wirklichkeit in uns lässt uns das Werben Gottes erkennen: was ich tun soll! Auch hier ist wieder gut hinzuhören, denn „Göttliches strahlt unscheinbar und leise, umwirbt mein Herz“.
Damit der dreifache Klang zum Einklang kommt
Jeder/jede ist selbst verantwortlich, auf seine Natur, auf seine Sehnsucht und auf die ihn/sie umgebende Wirklichkeit zu hören. Das tägliche Beten, eine erfahrene geistliche Wegbegleitung, ein „Berufungstagebuch“ oder bestimmte geistliche Übungen (Exerzitien) werden dabei eine große Hilfe sein. Wenn stimmig wird, „was ich will“ mit dem, „was ich meine zu sollen“ und „dies auch gut leben und tun kann“, dann wird Friede spürbar, Kraft und frohe Bereitschaft, diesen Weg zu gehen. Der oft als Missklang hörbare dreifache Klang der einen Stimme Gottes ist dann zur Melodie geworden, wie vorhin bei Birgit. Sie verleiht dem Leben Farbe und Leichtigkeit. Eine Art von Fülle – selbst in der Bedrängnis – wird erfahrbar, wie es Jesus Christus verheißen und selbst vorgelebt hat.
P. Josef Maureder S
Berufen
P. Josef Maureder SJ, Autor der vierteiligen Kirchenzeitungs-Reihe zum „Jahr der Berufung“ ist Jesuit und Psychologe. Er ist für die Berufungspastoral seiner Ordensprovinz verantwortlich und leitet das Haus Manresa in Linz, einen Ort, wo Menschen ihre Berufung klären können. Weitere Informationen und Anfragen: http://www.haus-manresa.at oder haus-manresa.at@jesuiten.org