Abseits der Pyramiden

Das Nebeneinander von Kirchturm und Minarett kann nicht darüber hinweg-täuschen, dass das Zusammenleben von Christen und Muslimen in Ägypten schwierig ist. Sr. Juliana: „Das ehrliche Respektieren von Gegensätzen ist schon ein großer Schritt vorwärts.“

Foto: Baldinger

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„Im Dialog leben“: Das ist für Sr. Juliana Baldinger keine hohle Phrase. Die Ordensfrau aus Meggenhofen wohnt im ägyptischen Dorf El-Berba – als Christin inmitten einer muslimischen Gesellschaft.

Sr. Juliana Baldinger feiert ein kleines Jubiläum. Vor zehn Jahren ist sie mit zwei Mitschwestern nach El-Berba gezogen. Mit 10.000 Einwohnern würde El-Berba in Österreich zwar als Stadt gelten, doch El-Berba ist durch und durch ein Dorf: kaum Arbeitsplätze, keine weiterführende Schule, die Jugendlichen ziehen in das 300 Kilometer entfernte Kairo. Fünf Minarette und ein Kirchturm prägen die „Skyline“ des Dorfes, ein Viertel der Bewohner/innen von El-Berba sind koptisch-katholische Christen. Obwohl sie von der gesellschaftlichen Stellung her lediglich Bürger zweiter Klasse sind, geben sie in sozialen Fragen den Ton an. Dank des Einsatzes von Sr. Juliana Baldinger und ihrer zwei Mitschwestern.

Die Dialog-Schwestern

Die Ordensfrauen gehören der Gemeinschaft der Sionsschwestern an. Die Kommunität wurde 1842 in Frankreich gegründet. Ihre Schulen standen für Mädchen christlicher, jüdischer und muslimischer Familien offen – in der damaligen Zeit revolutionär. Diese Offenheit blieb das Markenzeichen der Gemeinschaft – bis heute. Die weltweit 900 Sionsschwestern verstehen den Dialog als ihren Auftrag: besonders den christlich-jüdischen Dialog und den Dialog des Alltags mit Menschen am Rand. Und von denen gibt es in El-Berba genug. So hat die „Drei-Frau-Gemeinschaft“ ein Kleinkredite-Programm gestartet, das vor allem die Wohnsituation verbessert: Familien können Gasherde anschaffen, WC-Anlagen bauen oder die Lichtleitungen installieren. Eine besondere Sorge gilt der Förderung junger Frauen und den Kindern. In einem 1,5 Hektar großen Garten hat Sr. Juliana einen geschützten Begegnungsort für Jung und Alt geschaffen.
Alle Initiativen stehen selbstverständlich Christen und Muslimen in gleicher Weise offen. Die Realität macht aber der Offenheit der Schwestern häufig einen Strich durch die Rechung. So finden sich keine muslimischen Erwachsenen, die die Kinder im Garten beaufsichtigen würden. Was aber in der landesweit angespannten Situation zwischen Christen und Muslimen unbedingt notwendig ist. „Stellen Sie sich vor, ein muslimisches Kind bricht sich beim Spielen mit christlichen Kindern auf einem christlichen Gründstück die Hand. Die Folgen wären katastrophal“, erklärt Sr. Juliana. Der Hintergrund ihrer Angst: Ob es um Baugenehmigungen geht oder um das alltägliche Zusammenleben – Christen werden vielfach benachteiligt und müssen häufig als Sündenböcke herhalten.



Dabei gilt El-Berba als friedliches Dorf, in dem es noch nie gewaltsame Ausschreitungen gegen Christen gab. Sr. Juliana lässt sich von der angespannten Situation nicht entmutigen: „Ich erkenne das als Realität an und versuche den Dialog des Alltags zu leben.“ Dazu hält sie auch die christliche Gemeinde an: „Ich ermuntere die Christen, auf allen Ebenen die Beziehung mit ihren muslimischen Nachbarn zu pflegen: auf sie zuzugegehen, miteinander zu reden, sich auf den Feldern zu helfen.“ Ungeachtet aller Schwierigkeiten hat Sr. Juliana (Bild) den Kopf voller Ideen: Sie plant eine Müllentsorgung für El-Berba und ein Haus für alte Menschen. Sorge bereitet ihr der drohende Irak-Krieg: „Ich kann es nicht glauben, dass Amerika so dumm ist, einen Krieg zu beginnen.“