Die Belastung der Arbeit muss unterbrochen werden, um den Genuss und die Freude des Lebens zu ermöglichen.
Zahlreich sind die Versuche, unsere Gesellschaft zu beschreiben. Manche sprechen von Erlebnisgesellschaft, andere von Konsumgesellschaft . . . Es scheint in der Tat so zu sein, dass die Sorge um das Wirtschaftswachstum alles andere beherrscht. Hauptsache, wir steigern das Brutto-sozialprodukt. Ob damit aber das Leben auch lebenswerter und sinnvoller wird?
Die zweite Schöpfungserzählung (Gen 2, 4b–25) hat bereits die Gebote bzw. Verbote Gottes verankert als positive Ausstattung der Welt des Menschen, damit sein Leben gelinge. Den Geboten Gottes ist in der Bibel breiter Raum gewidmet. Eine nicht vollständige Zusammenfassung der wichtigsten Ge- und Verbote finden wir im Dekalog, den Zehn Geboten, die in der Bibel doppelt überliefert sind (Ex 20, 2–17 und Dtn 5, 6–21).
Der Sabbat ist heilig
Von zentraler Bedeutung scheint das Sabbatgebot zu sein (siehe „Gotteswort“). Interessanterweise greift die Fassung des Buches Exodus zur Begründung des Sabbatgebotes auf die erste Schöpfungserzählung zurück. Den Höhepunkt des Schöpfungswerks Gottes stellt nämlich keineswegs die Erschaffung des Menschen am sechsten Tag dar, sondern die Einrichtung des Sabbat als siebten Tag. Der Sabbat ist in einem Vollendung der Schöpfung und Geburtstagsgeschenk an den Menschen. Gott ruhte am siebten Tag, er segnete ihn und erklärte ihn für heilig, eben weil er an diesem siebten Tag ruhte, nachdem er das ganze Werk der Schöpfung vollendet hatte.
Biblische Arbeitszeitregelung
Gott ist also die Ruhe heilig! Und so soll es auch für den Menschen sein! Daher greift die Exodusfassung des Sabbatgebotes auf die Schöpfungserzählung zurück, um die Forderung nach Sabbatruhe zu begründen. Warum das? Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass das Sabbatgebot eigentlich ein Sozialgebot darstellt. Es regelt sozusagen die Arbeitszeit. Heute würde man von einer Arbeitszeitregelung sprechen, derer vor allem die sozial Schwachen zu ihrem Schutz bedürfen. Die Einschränkung des ganzen Lebens auf ununterbrochene Arbeit wird wohl kaum jemandem gut tun, auch wenn er noch so viel daran verdienen mag. Das Sabbatgebot zählt ausdrücklich alle auf, die in den Genuss der Arbeitsruhe und damit des Lebensgenusses kommen sollen: die ganze Familie, natürlich auch die Angestellten, in der Bibel Sklave und Sklavin genannt, weil nicht selbstständig erwerbstätig, aber auch die Fremden, heute würde man sagen die Gastarbeiter.
Zeit zum Leben haben
Und nicht einmal damit gibt sich die Bibel zufrieden: Auch die Arbeitstiere werden eigens erwähnt und damit unter Schutz gestellt. Im Sabbatgebot wurzelt mithin der Tierschutzgedanke. Auch die Tiere sind Geschöpfe Gottes und zumindest laut Schöpfungsordnung dem Zugriff des Menschen entzogen. Das deuteronomische Sabbatgebot verstärkt sowohl die soziale Komponente, indem Sklave und Sklavin die Sabbatruhe doppelt zugesichert wird, als auch den Tierschutzgedanken, indem Rind und Esel ausdrücklich als Arbeitstiere erwähnt werden, die am Sabbat Ruhe finden sollen. Das Sabbatgebot will also keineswegs eine Schikane sein, sondern die Belastung der Arbeit unterbrechen und damit den Genuss und die Freude des Lebens ermöglichen.
Lesen Sie in der nächsten Nummer: Das rettende Eingreifen Gottes.
ALTES TESTAMENT
„Höhepunkt der Schöpfung ist keineswegs die Erschaffung des Menschen, sondern die Einrichtung des Sabbats als Ruhetag.“
Oskar Dangl, Theologe und Pädagoge, ist Lehrer am Studienzentrum Strebersdorf der Erzdiözese Wien.
GOTTESWORT
Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig! Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der Herr den Sabbattag gesegnet und ihn für heilig erklärt.
Exodus 20, 8–11
Achte auf den Sabbat: Halte ihn heilig, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat. Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Rind, dein Esel und dein ganzes Vieh und der Fremde, der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat. Dein Sklave und deine Sklavin sollen sich ausruhen wie du. Denk daran: Als du in Ägypten Sklave warst, hat dich der Herr, dein Gott, mit starker Hand und hoch erhobenem Arm dort herausgeführt. Darum hat es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht, den Sabbat zu halten.