Trotz Aufklärung und Verhütung werden nach wie vor viele minderjährige Mädchen schwanger. Nicht alle aber können dann mit der Hilfe und der Unterstützung einer Familie rechnen.Romana kommt mir durch die Tür entgegen und gibt mir die Hand. Sie ist 17, hat lange, dunkle Haare und ein freundliches Gesicht – auf den Unterarmen hat sie Schnittwunden. Wir setzen uns und sie stellt das Babyphon auf den Couchtisch: Seit 24. Dezember ist Romana Mutter eines kleinen Sohnes. Sie ist kein Einzelfall: 3256 Kinder wurden 2002 in Österreich von Müttern geboren, die unter 20 Jahren alt waren, 12 davon sogar unter 15 Jahren. Allein in Oberösterreich waren bei 561 Geburten die Mütter zwischen 15 und 19 Jahren, zwei unter 15 Jahren. Nicht alle jungen Mütter finden dann Schutz und Geborgenheit in ihren Familien. Auch Romana nicht. Sie wohnt in der Einrichtung „Wohnplatz“ der „Sozialen Initiative“. Hier stehen acht Wohnplätze für Mädchen von 15 Jahren bis zur Volljährigkeit, längstens aber bis 21 Jahren zur Verfügung. Vier Plätze sind für Schwangere und Mütter reserviert. Grundsätzlich werden im „Wohnplatz“ Mädchen aufgenommen, die aus der Bahn geraten sind und in ihren Familien keinen Halt mehr finden.
Überraschende Schwangerschaft
Mit 13 Jahren ist Romana von zu Hause weggegangen. Sie hatte ein Alkoholproblem, später kamen Drogen hinzu. Das Jugendamt hat ihr eine Wohnung besorgt. Dann wurde sie schwanger. Bevor sie im Juli in den „Wohnplatz“ kam, hat sie einige Wochen auf der Straße verbracht. Von der Schwangerschaft wurde sie überrascht: „Am Anfang war es ein Schock. Ich wollte kein Kind“, sagt sie.Vom Beginn der Schwan-gerschaft hat sie nichts bemerkt, auch keine Morgenübelkeit. „Mit der Zeit hatte ich dann extreme Stimmungsschwankungen: Ich habe gelacht und war am Boden zerstört.“ Im Wohnplatz werden die jungen Schwangeren bei der Entscheidungsfindung für oder gegen das Kind unterstützt. „Die Entscheidung aber wird ganz klar den Mädchen überlassen“, sagt Leiterin Barbara Pöhl. „Wir hatten ein Mädchen, das bis heute an der Abtreibung leidet, ein anderes Mädchen hat nach der Geburt gesagt, dass sie abgetrieben hätte, wenn sie gewusst hätte, was auf sie zukommt.“
Entscheidung für das Kind– und gegen die Sucht
Auch Romana hat sich nicht sofort für die Schwangerschaft entschieden: „Für eine Abtreibung braucht man eine Schwangerschaftsbestätigung. Die Ärztin hat mich gefragt, ob ich es mir nicht doch noch mal überlegen will. Wir haben dann vereinbart, dass sie die Bestätigung eine Woche liegen lässt. Wenn ich sie mir nicht hole, will ich das Kind.“ Romana hatte auch Angst um die Gesundheit des Kindes, weil sie in der Zeit zwischen der Zeugung und dem Bekanntwerden der Schwangerschaft viel Alkohol getrunken hatte.Die Bestätigung blieb liegen. Zu Weihnachten kam der kleine Elias nach 56 Stunden in den Wehen durch einen Kaiserschnitt zur Welt. Mit Schwangerschaft und Geburt war in Romanas Leben etwas Ruhe eingekehrt. Sie hat schlagartig mit Alkohol und Drogen aufgehört. Elias macht ihr viel Freude: „Er ist sehr brav“, sagt die junge Mutter, „er schläft noch sehr viel.“ Mit Elias’ Vater hatte Romana keine Beziehung, er sitzt derzeit im Gefängnis und wird wohl ins Ausland abgeschoben werden. Doch Romana hat Glück: Ihr Freund steht zu ihr und dem Kind, obwohl er nicht der Vater ist. Er kommt in den „Wohnplatz“ auf Besuch und sie unternehmen etwas. „Wir hatten bisher drei Fälle, in denen sich die Väter zu ihren Kindern bekannt haben. Sonst war immer ein Vaterschaftstest oder eine Androhung dieses Tests notwendig“, erzählt Pöhl. Sie und ihre Mitarbeiterinnen begleiten die angehenden Mütter zu Geburtsvorbereitungen und zur Geburt selbst. Auch für die Nachbetreuung ist gesorgt. „Mit einer strengen Linie für Mutter und Baby ist die Situation bewältigbar“, sagt die Leiterin.
Eine Zukunftsperspektive
Romana hat eine Perspektive für sich und Elias: „Ich bin glücklich. Jetzt bleibe ich eine Zeit lang da. Wenn sich die Beziehung zu meinem Freund gut entwickelt, wollen wir zusammenziehen. Vor meiner Schwangerschaft hatte ich die Möglichkeit, ein Freiwilliges soziales Jahr in einem Kindergarten zu absolvieren. Das möchte ich auf jeden Fall nachholen, sobald ich Elias einer Tagesmutter anvertrauen kann.“