Prälat Johann Weidinger war 1934 Maturant am Kollegium Petrinum. Als solcher stand er während der Bürgerkriegswirren bei einem Eingang Wache.
Vor 70 Jahren geriet das Kollegium Petrinum in die Wirren des Bürgerkrieges. Linz-Urfahr war in der Hand des Schutzbundes, das Petrinum riegelte sich ab.
Am Hang des Pöstlingberges in Linz liegt das bischöfliche Privatgymnasium Petrinum. Gegen Mittag des 12. Februar 1934 erfuhren die Zöglinge der Anstalt, was am Morgen geschehen war: Der sozialdemokratische Schutzbund wehrte sich gegen eine Hausdurchsuchung im Hotel Schiff, Polizei und Bundesheer griffen an. Es war Bürgerkrieg.
„Wir hatten schon Schüsse gehört, als wir erfuhren, was vor sich ging“, erinnert sich Prälat Johann Weidinger, damals im Matura-Jahrgang. Einzelne Gruppen von Männern gingen ums Haus. Kurz vor 12 Uhr stand plötzlich eine bewaffnete Schar von Schutzbündlern vor der Südfront des Petrinums. Der Regens teilte den Schülern in den Speisesälen mit, dass sie in der Mittagspause nicht hinausgehen könnten.
Soldaten suchen Schutz
„Bei einem Seiteneingang an der Nordfront kam schließlich eine Schipatrouille des Bundesheeres herein und suchte Zuflucht im Petrinum“, erzählt Weidinger. Urfahr war in der Hand des Schutzbundes, die waffenlosen Soldaten waren von der Truppe abgeriegelt. Plötzlich drangen drei Schutzbundkämpfer durch den Haupteingang ins Portierzimmer des Petrinums ein. Den BundesheerSoldaten gelang es in einem wilden Handgemenge, die Männer zu entwaffnen und als Gefangene zu nehmen. Die Schutzbündler vor den Toren des Petrinums nahmen ihrerseits zwei Schulangehörige, die sich außerhalb der Anstalt befanden, als Geiseln.
Der Anführer der Schipatrouille riet, die Tore des Petrinums zu verrammeln und die älteren Schüler als Wachen bereitzustellen. „Er war ein großer, fescher Mann und hat immer wieder gesagt: Es darf niemand hereinkommen. Ich habe mich für die Pforte beim Turnsaal gemeldet, weil ich mich dort gut auskannte“, sagt Zeitzeuge Johann Weidinger. „Wir haben die großen Tische aus dem Speisesaal vor dem Tor aufgestapelt. Die Soldaten bei den Eingängen haben zu uns gesagt, wir sollen immer in Deckung bleiben.“ Auch an die Stelle im Gemüsegarten vor der Hauptfront kann er sich noch erinnern, an der ein Maschinengewehr gegen das Petrinum gerichtet stand. Durch das Fenster der Portierloge trat der Regens mit den Schutzbündlern zwecks Geiselaustausch in Verhandlungen. Diese erklärten ruhig, man habe nichts gegen das Petrinum: „Wir bedauern, aber es ist Bürgerkrieg.“ So berichtet es das Jahrbuch des Petrinums 1934.
Vernunft setzt sich durch
Auf beiden Seiten herrschte offensichtlich Vernunft, sodass die Gefahr vom Petrinum mit seinen rund 360 Schülern abgewendet werden konnte: Um 13.25 Uhr tauschte der Regens die gefangenen Schutzbundmänner gegen die Angehörigen des Petrinums aus, die sich in der Hand des Schutzbundes befunden hatten. Der Schutzbundführer räumte daraufhin mit seinen Männern den Platz unmittelbar vor der Schule. Der Nachmittag verging ruhig. Die Soldaten verließen gegen 19 Uhr das Haus und gelangten über Umwege zu ihrem Truppenkörper.
„Die Disziplin im Haus hat hervorragend funktioniert“, erinnert sich der einstige Maturant Weidinger. Beim Abendessen machte der Regens die älteren Zöglinge auf die weiterhin bestehende Gefahr aufmerksam, munterte sie aber gleichzeitig auf: „400 Schutzengel stehen für uns gegen die Schutzbündler.“ Das Untergymnasium ging voll angezogen zu Bett, die älteren Klassen wurden zum Wacheschieben an den Eingängen eingeteilt. Doch bis auf ein paar Patrouillen und ferne Schüsse blieb es ruhig.
Als der Morgen anbrach, erreichte das Petrinum die Meldung, dass die Mühlviertler Heimatwehr schon am Pöstlingberg stand. Vor dem Petrinum waren kaum mehr Schutzbündler zu sehen. Doch noch einmal hieß es, den Atem anhalten: Die Schlosskaserne nahm die so genannte „Rote Villa“ an der Ecke Teistlergutstraße – Knabenseminarstraße nahe dem Petrinum unter Beschuss. „Telefonisch war durchgegeben worden, dass man sich nicht zu schrecken brauche, die Schüsse würden nicht der Anstalt gelten“, erinnert sich Prälat Weidinger heute noch. „Ich hatte nach dem Beschuss das Gefühl, jetzt ist das alles vorbei.“ Das war es auch: Gegen 11.30 Uhr stand die Heimatwehr beim Petrinum. Am Mittwoch konnte der Unterricht geregelt fortgesetzt werden. „Als wir Schüler begannen zu verstehen, was vorgefallen war, war es auch schon wieder vorbei“, sagt Weidinger. „Für uns war die Sache ein kurzes Abenteuer.“
Zur Sache
Ausgehend von Linz führte von 12. bis 14. Februar der Bürgerkrieg zwischen dem sozialdemokratischen Republikanischen Schutzbund und der Staatsgewalt des autoritären Ständestaates mit den Heimwehren zu Kämpfen mit zahlreichen Toten v. a. in Oberösterreich, Wien und der Steiermark. Nach der Niederschlagung antwortete das Regime hart mit standrechtlichen Hinrichtungen und Verbot der Sozialdemokratie.