02.11.2004 - Kirchenzeitung der Diözese Linz, Helene Daxecker-Okon
Als Schüler in Seattle/USA, als Student der Medizin, Philosophie und Theologie in Wien, Paris, Frankfurt a. M. und Rom, Priesterweihe in Innsbruck, Wissenschaft in Bogotá/Kolumbien – der Lebenslauf Stephan Lehers liest sich wie ein Reisebericht.
„Wir sind immer viel gereist,“ sagt Stephan Leher, Professor für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät Innsbruck. Mit „wir“ meint er seine Familie. Und das Reisen ist nicht das einzige, was ihm seine Familie mitgegeben hat: „Mein Glaube ist ein Geschenk meiner Familie und der Benediktiner, deren Gymnasium in Kremsmünster ich zwei Jahre lang besucht habe.“ Mit achtzehn Jahren wollte der gebürtige Linzer bereits Priester werden. Der Einfluss seines Vaters und Lehers naturwissenschaftlich-technisches Interesse bewegten ihn jedoch dazu, Medizin zu studieren. Unmittelbar nach Abschluss des Studiums im Jahr 1980 trat Leher 23-jährig in die Gesellschaft Jesu ein. Nach dem Philosophiestudium in Paris ging er nach Frankfurt am Main, um Theologie zu studieren. Eine Zeit der Unklarheit, des Zweifelns begann. „Am Anfang des Theologiestudiums war mir noch nicht klar, ob ich Priester werden soll.“ Der geschenkte Glaube seiner Kindheit reichte nicht mehr aus. Die Entscheidung zur Priesterweihe wurde aufgeschoben.
Auf den Weg muss man sich selber machen
„Trotz schöner Außenbiographie muss man sich selbst auf den Weg machen,“ sagt der Jesuit im Rückblick. Ein „langsamer Prozess“ begann. Leher suchte qualifizierte Hilfe auf und entschied sich schließlich für die Weihe. „Es war mein Weg. Ich habe bemerkt, dass es zu mir passt. Mein Weg ist auch die Vermittlung zwischen der medizinisch-technischen und ökonomischen Sichtweise der Welt und dem christlichen Glauben. Das gehört zusammen.“ Leher versucht in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit zu verbinden – die praktische Arbeit im Krankenhaus mit der theoretisch-ethischen Sicht, die christliche Praxis mit modernen, naturwissenschaftlichen Zusammenhängen. Die Verbindungen werden spürbar in seinem Büro. Ein Totenschädel – „aus Plastik,“ wie Leher schnell anmerkt – steht auf seinem Schreibtisch und gibt Auskunft über seine Faszination von der Anatomie. Die selbstgemalten, farbenfrohen Bilder beinhalten theologische Motive. Eine Landkarte von Kolumbien weist auf Lehers wissenschaftliches Projekt hin. Ziel seiner sozialmedizinischen Studien in der Stadt Bogotá ist es, dass ein bedürfnisgerechtes Gesundheitssystem, das auch den Armen zugute kommt, aufgebaut werden kann. „Dort lerne ich, was ‚Evangelium’ heißt: Einsatz für Menschenrechte aus einer Unrechtssituation heraus.“ In all den Jahren habe seine theologische Perspektive sich nicht wirklich verändert, sie sei vielmehr „gereift.“ Lehers Vision ist es, die Botschaft Jesu den Menschen verständlich zu machen: „Ich möchte so über Jesus sprechen können, dass es zur Antwort wird für die Menschen von heute.“
Kraftquellen
Ich schreibe es auf ihr Herz
Denn das wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe – Spruch des Herrn: Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein. Keiner wird mehr den anderen belehren, man wird nicht zueinander sagen: Erkennt den Herrn!, sondern sie alle, klein und groß werden mich erkennen – Spruch des Herrn. Denn ich verzeihe ihnen meine Schuld, an ihre Sünde denke ich nicht mehr. Jeremia 31, 33f
Die Verheißung des neuen Bundes, nach dem alle Gott kennen und keine Belehrung mehr brauchen, ist Stephan Lehers liebste Stelle in der Bibel.