Mit den Göttinnen der Moderne hat Maria wenig gemein. Aber auch im Kokon elitärer Frömmigkeit ist sie nicht gefangen.
Jung, schön, gesund, potent und durchsetzungsfähig. Vor allem aber selbstbezogen. Egoistisch also! So sehen die Göttinnen und Götter der Gegenwart aus. Vom Fernsehbild, aus den Videoclips, von den Werbeplakaten lachen sie mich an. Und rufen mir auch unablässig zu, selbst dann, wenn sie schweigen: „Werde so wie ich! Steige hinauf! In den Himmel der Berühmtheiten!“ Millionen von Menschen strampeln sich tagtäglich ab, um hinaufzukommen. Die Kinder saugen es schon mit der Muttermilch auf, dass sie kleine Göttinnen und Götter sind und dass sie Spitzenkräfte sein werden. In der Wirtschaft, in der Kultur, in der Politik. Den Dreck räumen ja eh die Fremden auf. „Starmania“ als täglicher Vitaminstoß also. Echt durchgeknallt!
Der Blick in den Spiegel
Der tägliche Blick in den Spiegel im Bad stürzt mich aber in tiefste Depressionen. Kein Waschbrettbauch und auch nicht der richtige Busen. Und auch der Arbeitsplatz gewöhnlich. Von Familienproblemen ganz zu schweigen. Zweifel, Selbstzweifel, ja der Selbsthass sind heutzutage zur Regel geworden bei Millionen von Zeitgenossen. Dies schon deswegen, weil niemand die durchgeknallten Träume tatsächlich verwirklicht. Dies auch deswegen, weil wir an der Rivalität und am täglichen Neid fast schon ersticken. Dies aber auch deswegen, weil bei so vielen Göttinnen und Göttern Anbeter/-innen rar geworden sind. Und kaum jemand will heute „nur“ begleiten, „nur“ aufschauen, „nur“ gewöhnlicher Mensch werden. Wie gestrig muss in dieser Welt das Bild Marias erscheinen? Geradezu der Inbegriff katholischer Antimoderne! Die „modernen Katholiken“ unterlassen auch keine Gelegenheit, um dieses Bild madig zu machen. So verstaubt das Bild auch erscheinen mag, ist es lebensrettend! Gerade in seinen antimodernen Zügen. Es weist auf jene Charaktereigenschaften hin, die zur Erhaltung der Menschenwürde unerlässlich sind. Diese begnadete Frau träumt ja keine „durchgeknallten“ Träume. Im Gegenteil. Sie stellt den Inbegriff der „Demut“ dar. „Um Gottes willen!“, schreit die aufgebrachte moderne Meute. „Das kennen wir schon. Die alte Leier: Die Frau an den Herd!“ Das lateinische Wort „Demut“ heißt aber: „humilitas“. Es kommt vom „humus“ und das bedeutet „Boden“. Es hat etwas mit der Logik des christlichen Glaubens zu tun. Der christliche Gott unterscheidet sich eben von den Göttinnen und Göttern der Moderne. Er ist nicht selbstbezogen. Und er verführt niemanden dazu, dass er sich hinauf strampelt in den Himmel. Er selber steigt herunter. Anstatt die Menschen aufzustacheln, sie in Zweifel und in Selbsthass zu stürzen, begnadet er sie.
Gib Starmania-Träume auf
Und das können wir an Maria erkennen. Weil sie ihr „Begnadetsein“ dankbar erkennt, bleibt sie nicht selbstbezogen. Sie will keine Göttin sein. Sie gibt sich mit ihrem „Menschsein“ zufrieden, wird auch nicht eine „femina incurvata“ – eine in sich selbst versponnene, in sich verkrümmte Frau. Sie wird auf andere geradezu durchlässig. Sie ist so etwas wie eine „socia“ – eine Begleiterin, eine Gefährtin. Immer schon neben anderen Menschen, oft tiefer als diese: auffangend, mitfühlend, mitleidend. Ausgerechnet jenes Bild, wo sie scheinbar einsam ist, in ihrem Leid verstummt, weil den toten Sohn auf ihrem Schoß haltend, ist Millionen von Menschen zum Inbegriff der Hoffnung geworden. Still deutet mir diese Frau an: „Gib deine Starmania-Träume auf, erkenne die Kraft der Gnade in deinem Leben an. Werde bodenständig. Und bedenke: Nur die demütige Magd vermag die Mächtigen vom Thron zu stürzen! Nicht mit Gewalt. Mit der Kraft der Gnade! Diese gibt Dir nämlich den Boden unter den Füßen.“
Nicht abgehoben und fern
Das Zitat
Die Situation der Familie Marias ist ähnlich wie die vieler menschlicher Familien. Es ist eine Familie, die nicht nur zur Ehre der Altäre erhoben worden ist, als Gegenstand von Lob und Verehrung, sondern die durch viele Episoden, die uns die Evangelien des heiligen Lukas und des heiligen Matthäus berichten, in einem gewissen Sinne jeder menschlichen Familie nahe ist. Sie nimmt jene tiefen, schönen und zugleich schwierigen Probleme auf sich, die das Ehe- und Familienleben mit sich bringt. Papst Johannes Paul II. (Aus: Maria, Stern des Morgens. Styria)