Dorothea Sumereder und Eva Maria Bichl vom Team der Ehrenamtlichen. Im Hintergrund Sozialarbeiter Michael Trummer.
Offen für die Leute sein und wie ein Ofen für Wärme sorgen: Das Of(f)’n-Stüberl der Evangelischen Diakonie in Linz stützt sich auf Ehrenamtliche. Sie erhielten 2004 den Kirchenzeitungs-Solidaritätspreis.
Am 16. Dezember 2004 kommen im Lauf des Vormittags, zwischen acht und elf Uhr, 66 Gäste ins Of(f)’n-Stüberl in der Starhembergstraße 39. Dorothea Sumereder und Eva Maria Bichl, zwei der etwa 25 Ehrenamtlichen, machen mit Sozialarbeiter Michael Trummer Dienst. Es ist kein ungewöhnlicher Tag. Einer der Gäste kommt ausgefroren, um bei einem Kaffee für den Tag aufzutanken. Die Nacht hat er im Freien verbracht. Bei einer Kirche hat er Unterschlupf gefunden.
Wohnungsnot
Unterschlupf, Quartier, Herberge, Beheimatung. – Viele Gäste des Of(f)’n-Stüberls kennen seit langem nur die untersten Etappen des Wohnens. Etwa der 53-jährige Helmut, der seit drei, vier Jahren das Of(f)’n-Stüberl aufsucht. Seit zwei Jahren lautet seine Adresse: Waldeggstraße 38, Notschlafstelle. Das bedeutet: Tag für Tag um halb acht in der Früh das Quartier verlassen müssen und zwischen 19 und 23 Uhr wieder Quartier beziehen. „Man muss irgendwie den Tag verbringen. Da ist das Of(f)’n-Stüberl angenehm, weil es die einzige Stelle ist, die so bald offen hat“, sagt Helmut. Dem Betreuungsteam zollt er höchstes Lob – „sie sind nett und freundlich und man bekommt einen guten Kaffee“.
Für Frau Sumereder und Frau Bichl ist Freundlichkeit ganz selbstverständlich. Seit sechs Jahren leisten sie hier etwa alle vierzehn Tage Dienst. Sie bereiten das Frühstück vor und halten den Betrieb auf Schwung, haben ein Ohr für die Sorgen der Leute. Ihr Motiv: In der Pension etwas für die Schwachen der Gesellschaft tun. „Man kann es gut tun, wenn es einem gut geht“, ist dies für Frau Sumereder eine Selbstverständlichkeit. Die Ehrenamtlichen bekommen auch viel von den Gästen zurück, wie sie mit Respekt vor deren Schicksal die Of(f)’n-Stüberl-Kunden nennen. „Man wird auch nachdenklich und fragt sich, ob man selber fähig wäre, sein Leben unter diesen Umständen zu meistern“, sagt Frau Bichl. Sozialarbeiter Michael Trummer stellt die Menschenwürde in den Mittelpunkt: „Auch wenn sich einer jeden Tag betrinkt, ist er trotzdem hundertprozentig Mensch.“ Man sollte bedenken, dass „jene, die keine guten Voraussetzungen haben, oft körperlich schwerst gezeichnet sind, die dreifache Konsequenz bräuchten wie jene, die in guten Verhältnissen leben. Und es fällt diesen schon schwer!“
Notschlafen
Da ist ein 60-jähriger Mann unter den Gästen. Er kommt oft. „Denn zu Hause würde mir die Decke auf den Kopf fallen.“ Er war Alkoholiker, ist seit 1996 trocken und hat 1998 auch das Rauchen aufgehört. Aber er ist einsam und hat keine Arbeit. Sein Tischnachbar hat die Wohnung verloren, nachdem er mit seinem „Weiberl“ gestritten hat, wobei die beiden im Suff laut geworden sind. Nun lebt er im „B37“, dem Wohnheim für Wohnungslose in Linz, sein „Weiberl“ in der Notschlafstelle.
Leben dreht sich im Kreis
Notschlafstelle ... Of(f)’n-Stüberl ... SOMA-Cafe ... Vinzenzstüberl der Barmherzigen Schwestern ... Wärmestube ... Notschlafstelle: Das Leben dreht sich im Kreis. „Man wird automatisch zum Säufer, wenn man den ganzen Tag nichts zu tun hat.“ Der 53-jährige Helmut möchte im neuen Jahr aus dem Kreis ausbrechen. Nach einer Entwöhnungskur findet er einen Therapieplatz im Caritasprojekt „Hartlauerhof“ in Asten. Davor muss er noch Weihnachten „überstehen“. Was wird er tun? – „Wahrscheinlich im Bett liegen, vielleicht CD hören.“
Es waren auch schon 100 und mehr Leute im Of(f)’n-Stüberl, erzählt Dr. Georg Wagner, Geschäftsführer der Evangelischen Stadt-Diakonie. Die Sitzplätze reichen nur für 30 Leute. Da platzt trotz Kommen und Gehen der Raum aus allen Nähten.
Erfolge
Was ist ein Erfolg der Arbeit des Of(f)’n-Stüberls und der anderen Obdachlosen-Einrichtungen? – „Wenn sich jemand errappelt“, sagt Dr. Wagner. Ganz super ist, wenn er wieder einen Arbeitsplatz bekommt, eine Wohnung findet. Aber alleine schon, wenn er Kraft bekommt, sich um seine Angelegenheiten zu kümmern. „Erfolg ist, wenn sie hier einen Hafen, eine Heimat haben.“
STICHWORT
Das Of(f)’n-Stüberl
Die Evangelische Stadtdiakonie führt in der Starhembergstraße 39 in Linz das Of(f)’n-Stüberl. Es hat Montag bis Donnerstag (im Sommer Dienstag bis Donnerstag) von 8 bis 11 Uhr offen. Sozialarbeiter Michael Trummer wird in der Gästebetreuung von etwa 25 ehrenamtlichen Helferinnen unterstützt. Männer helfen bei Transporten für den notwendigen Bedarf mit. Die Linzer Bäckerei Hofmann schenkt dem Of(f)’n-Stüberl das tägliche Brot – acht Laib! Der „Evangelische Kirchenbote“ organisiert Naturalspenden.Das Of(f)’n-Stüberl ist ein geschützter warmer Platz, an dem die Menschen angenommen werden, wie sie sind, und keinem Konsumzwang unterliegen. Es gibt Frühstück und Vormittagsjause. Aber auch jahreszeitliche Feste werden gemeinsam gefeiert.Durchschnittlich 60 bis 70 Leute kommen täglich, etwa ein Sechstel sind Frauen.