Ausgabe: 2005/20, Überströmt von Glanz, Gotteslob, Schlögl, Geist des Herrn
19.05.2005
- Susanne Schlögl
Diese in den evangelischen Kirchen sehr beliebte Melodie, vom Kantor Melchior Vulpius 1609 komponiert, fand mit dem Text „Zieh an die Macht, du Arm des Herrn“ (GL 304) zum Glück auch den Weg in die katholischen Kirchen. Die Melodie setzt auf der OberQuinte an und durcheilt mit rasantem Schwung nach unten den gesamten Raum einer ganzen Oktave. Die Oktave umfasst (in unserem vertrauten Musiksystem) alle acht Töne einer Tonleiter, „das Ganze“ also . . . „Der Geist des Herrn erfüllt das All“. Nochmals beginnt die Melodie auf der gleichen Höhe, um diese bei den „Feuersgluten“ noch zu überflügeln. Wenn der Geist am Wirken ist, wird das bisher Dagewesene überstiegen, werden neue Räume berührt. Wiederholt wird diese faszinierend dynamische Melodie auf dem Text „. . . er krönt mit Jubel Berg und Tal, er lässt die Wasser fluten“ – auch die Lebenswasser fließen über das Maß hinaus. Nun beginnt die Melodie von einer neuen Basis ausgehend, etwas tiefer laufend neue Energien zu entwickeln. Der gemessene Dreiertakt (3/2) wird zwei Zeilen lang in einer kleineren Einheit weitergeführt (3/4). „Die Schöpfung, überströmt von Glanz und Licht, erhebt“ im Menschen „ihr Gesicht“, um „frohlockend“ ein „Halleluja“ zu jubeln. Dabei durchschreitet die Melodie einen aufsteigenden Dur-Dreiklang (nun wieder zum 3/2-Takt zurückgekehrt), um mit einem abwärts schwingenden „Halleluja“ auf dem Grundton zu enden. Dass Maria Luise Thurmair diesen Text 1941 dichten konnte, das macht mir Mut. Ein Text, dessen beflügelnde Sprache auch die weiteren drei Strophen atmen.
Susanne Schlögl ist freiberufliche Sängerin und Gesangspädagogin.