Erfahrungen mit dem Rosenkranz: Von der Sehnsucht nach der Nähe Gottes im Alltag
Ausgabe: 2005/43, Rosenkranz, Gebet zur Schokolade, Maria Thum, Stichwort, Beten
27.10.2005 - Maria Thum
Altmodisch sei der Rosenkranz und ein Gebet älterer Frauen, hört man nicht selten. Aber ist er nicht ein Ausdruck der Sehnsucht des „Betens ohne Unterlass“, der Sehnsucht, Gott im Alltag nahe zu sein?
Manchmal kommt mir vor, dass der Rosenkranz altmodisch geworden ist. Dennoch scheint die Gebetsschnur für viele Menschen ein besonderes „Segenszeichen“ zu sein. Für manche ist sie sogar ein ständiger Begleiter. Immer wieder sieht man Rosenkränze auf den Rückspiegeln von Autos hängen, Paten und Patinnen, die „ihren“ Kindern ganz bewusst einen Rosenkranz schenken, oder Angehörige, denen es sehr wichtig ist, den Verstorbenen einen Rosenkranz um die Finger zu wickeln. Ich habe auch schon gesehen, dass junge Mädchen Rosenkränze um den Hals tragen. Bei manchen Orden gehört der Rosenkranz zur Tracht, und „Rosenkranzringe“ sind immer wieder ein beliebtes Schmuckstück von Männern. Manchmal hört man etwas abschätzig, der Rosenkranz, das ist doch was für alte Frauen. Ich hingegen finde es als schönes Zeichen, dass Menschen, die in ihrem Alltag vielleicht etwas mehr Zeit als andere haben, dem Rosenkranzgebet Platz geben – und dabei sehr oft die Anliegen und Sorgen anderer Menschen in ihr Beten mit hineinnehmen. Das ist für mich eine besondere Art der Berufung.
Ohne Unterlass. Das besondere Kennzeichen des Rosenkranzes ist das Wiederholen von immer gleichen Gebeten. Das wiederum entspringt aus dem Wunsch nach dem immerwährenden Gebet. „Betet ohne Unterlass“ (1 Thess 5, 17) ist Auftrag und zugleich Sehnsucht, Sehnsucht nach einer dauernden Vereinigung mit Gott. Der Wunsch, den Alltag durch das Gebet hervorzuheben, ja zu heiligen, ist mitunter auch eine Motivation für das Rosenkranzgebet. Recht verstandenes Rosenkranzgebet ist keine Konkurrenz zwischen Marien- und Jesusverehrung. Schon Bernhard von Clairvaux (1090–1153) gibt uns zu verstehen, dass alle unsere Loblieder auf Maria auch ein Loblied auf den Sohn sind und umgekehrt, „wenn wir den Sohn ehren, so ziehen wir uns nicht von der Verehrung der Mutter zurück“.
Zeit zum Beten. Das Rosenkranzbeten braucht Zeit. Zeit, die ich mir bewusst einräume. Zeit, die ich mir nehme, um mein Leben ruhig werden zu lassen, um Tiefe und Vereinigung zu spüren, um Sorgen und Nöte des Alltags abzuladen. Für mich ist es Bittgebet und Lobpreis, Ausdruck meiner persönlichen Frömmigkeit und wohltuendes Gemeinschaftsgebet zugleich. Immer wieder entscheide ich mich bewusst dafür. Gut tun mir auch jene Gelegenheiten, wo ich ins Rosenkranzgebet einfach „hineinfalle“. Zum Beispiel wenn ich am Abend noch bei meinen Eltern vorbeischaue und sie gerade beim Rosenkranzbeten sind oder in einer Kirche, wo bereits andere Menschen rosenkranzbetend versammelt sind. Dieses Mithineingenommenwerden mag ich. Das „Danke fürs Vorbeten“ oder das „Danke fürs Mitbetendürfen“ kommt dann wirklich von Herzen. Ich bin froh, dass ich das Rosenkranzbeten nicht immer selber „organisieren“ muss.
Jesusgebet. Oft meine ich, dafür keine Zeit zu haben. Eine andere wertvolle Möglichkeit, mit Gott in Beziehung zu treten, ist für mich ein Kurzgebet – das so genannte Jesusgebet. Es verdichtet sich in der Formel „Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner“. Dafür ist immer und überall Zeit und Raum: Ob beim Aufwachen in der Früh, beim Aufschauen während einer anstrengenden Arbeit am Computer, in einer Gesprächspause oder vor dem Einschlafen. Das immerwährende Jesusgebet hat für mich seinen besonderen Platz, wenn ich z. B. bewusst etwas genieße oder mir was Gutes gönne. Während des Gehens, beim Schokoladeschlecken oder in anderen genussvollen Augenblicken in eine „geschmackvolle“ Begegnung mit Jesus zu treten, ist ein Lebenselixier für mein Herz. Das brauche ich.
Stichwort
In den fünf „lichtreichen Geheimnissen“ werden das Leben und Wirken Jesu in den Blick genommen. Papst Johannes Paul II. hat nach bestehenden Vorbildern diese Gesätzchen formuliert.
- Der von Johannes getauft worden ist - Der sich bei der Hochzeit zu Kana offenbart hat - Der uns das Reich Gottes verkündet hat - Der auf dem Berg verklärt worden ist - Der uns die Eucharistie geschenkt hat