Geplantes Konzil stürzt die orthodoxen Kirchen in eine Krise
Nur sechs Tage vor dem geplanten Beginn des ersten gesamtorthodoxen Konzils der Neuzeit auf Kreta sagte die russisch-orthodoxe Kirche am Montag ihre Teilnahme ab. Sie fordert wie andere der 14 eigenständigen orthodoxen Kirchen eine Verschiebung der „großen und heiligen Synode“.
Ausgabe: 2016/24
14.06.2016
- Kathpress/NIE
Damit droht das Kirchentreffen, das eigentlich von 19. bis 26. Juni geplant war, zu scheitern oder auszufallen. Der Außenamtsleiter des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion, sagte, eine Konzilsabsage solle „nicht als Katastrophe“ angesehen werden. Dem obersten Leitungsgremium des Moskauer Patriarchats, dem Heiligen Synod, ging es bei seiner Entscheidung, dem Treffen fernzubleiben, nach eigenen Angaben nur um Schadensbegrenzung und eine Abwägung: Soll man das Konzil absagen oder es durchführen – trotz ungelöster Streitfragen und der Weigerung der Kirchen von Bulgarien, Georgien und Antiochien daran teilzunehmen. Das Konzil drohe eine Teilung zu bringen, weil vier Kirchen beschlossen hätten, wegen Vorbehalten gegen einzelne Punkte in den sechs Vorlagen fernzubleiben, sagt Moskau.
„Schwarzer Peter“
Russlands Kirchenspitze sieht sich keineswegs als Verhinderer des Konzils. Der Moskauer Patriarch Kyrill I. kritisierte vielmehr das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel, weil dieses den Vorschlag der russisch-orthodoxen Kirche abgelehnt habe, noch vor dem Konzil ein Sondertreffen aller orthodoxen Kirchen abzuhalten. Bei diesem hätten die Probleme beseitigt werden sollen. Den Schwarzen Peter für die jetzige Krise der Orthodoxie schiebt Moskau also Konstantinopel zu: Das federführende Ökumenische Patriarchat nehme die Bedenken der einzelnen orthodoxen Kirchen nicht ernst und wolle trotz Absagen mehrerer Kirchen ein Rumpfkonzil durchziehen. Konstantinopel betrachtet dagegen das Moskauer Patriarchat als Störenfried. Die russisch-orthodoxe Kirche habe die Kirchen von Bulgarien, Serbien, Georgien und Antiochien mit Sitz im Libanon ermuntert, das Konzil zu boykottieren. Nun begründe Moskau die Absage auch noch mit dem Fernbleiben der kleineren orthodoxen Kirchen, lautet die Kritik.
Machtkampf
Der Machtkampf zwischen den Patriarchaten von Moskau und Konstantinopel spitzt sich durch die Konzil-Krise zu. Das Zustandekommen des Konzils auf Kreta wäre ein großer Erfolg des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I. Das nun drohende Scheitern ist ein herber Rückschlag für das Ehrenoberhaupt der gesamten Orthodoxie. In Russland fieberte dem Konzil niemand entgegen, es gab viele Vorbehalte. Deshalb kann Moskau problemlos den eigenen Gläubigen und Priestern die Absage erklären. Doch ob sich das Moskauer Patriarchat durch seinen Kurs in der gesamten Orthodoxie aufwertet, bleibt abzuwarten. kathpress/nie