Ein Phänomen ist zu beobachten, das derVerhaltensforschung viele Rätsel aufgibt: Der moderne Mensch, der grundsätzlich Nähe scheut und größtmöglichen Abstand hält – denken wir daran, wie er Nachbarn ausweicht oder Verwandte meidet – legt diese Scheu ab, sobald wo steht: „Bitte halten Sie Abstand!“„Bitte halten Sie Abstand!“ führt beim distanzierten Menschen zu einem unerklärlichen Nähe-Reflex. Dann rückt er wildfremden Zeitgenossen, die sich zufällig zur selben Zeit am gleichen Ort aufhalten, auf den Pelz. Etwa in einer Bank oder beim Bankomat. Oder auf der Post. Oder am Anmeldepult beim Arzt. Diese plötzlich auftretende Abstandslosigkeit kann bei den Bedrängten zu allerhand Zuständen führen. Es gibt mehrere Theorien, was diesen Nähe-Reflex auslöst. Eine besagt, dass bei den Aufrückern die Neugier über das Distanzbedürfnis siegt. Das hat was für sich, zumal nur die Vorderleute – die Bedrängten – an den Schaltern, an denen sie gerade etwas erledigen müssen, Infos über sich geben, nicht die Drängenden. Für die Aufrücker ist damit die Aufgabe der Distanz gefahrlos, sieht man von der Möglichkeit der Tröpfcheninfektion ab. Vielleicht sollte man sie auf diese enorme Gefahr hinweisen!