Vielleicht hat man sich an garantierte Haltbarkeiten zu sehr gewöhnt – und vergessen, wie viel Sorgfalt und Arbeit sie erfordern. Ein Leitartikel von Matthäus Fellinger.
Ausgabe: 2016/39
27.09.2016 - Matthäus Fellinger
Einkochen, einlegen, einfrieren, dörren. In der Zeit der Fülle gilt es einen Vorrat für karge Tage zu schaffen. So war es einmal. Für die meisten Leute ist es nicht mehr notwendig. Man bekommt ohnehin alles im Supermarkt. Kaum ein Lebensmittel, auf dem es nicht aufgedruckt oder aufgeklebt wäre: das Mindesthaltbarkeitsdatum – die gesetzlich vorgeschriebene Auskunft über die Frische der Ware. Ohne Aufwand und Mühe kauft man frisch und ohne Risiko.
Vielleicht hat man sich an garantierte Haltbarkeiten zu sehr gewöhnt – und vergessen, wie viel Sorgfalt und Arbeit sie erfordern.
„Mindestens haltbar bis ...“ – Würde man sich solche Garantien nicht auch für andere Belange des Lebens wünschen: Beziehung. Freundschaft. Liebe? Doch Gott sei Dank entziehen sich diese wichtigsten „Lebensmittel“ jeder Garantie. Es gibt nicht die sichere Haltbarkeit bei dem, was Menschen miteinander verbindet. Liebe mit einem vordefinierten Ablaufdatum wäre niemals Liebe gewesen. Sterben würde sie, würde man sie auf Eis legen oder sonstwie konservieren wollen. „Einkochen“ ist unter Menschen wohl auch nicht beziehungsfördernd. Die Menschen selbst sind die Garantie – die Gewährleistung – füreinander. Es ist fast wie ein Wunder, ganz anders als bei den natürlichen Verfallsprozessen: Das menschlich Verbindende wächst über die Tage der Frische hinaus.