Einem Menschen unserer Zeit mag es eigenartig vorkommen, die Geschichte einer Hinrichtung samt ihren Grausamkeiten in einer musikalischen Aufführung zu besingen – denn nichts anderes ist die Aufführung einer Passionsmusik.
Die beiden berühmtesten Passionen der Musikgeschichte – die Passionen Bachs nach Johannes und Matthäus – gehören zum Standardtrepertoire vieler Konzertsäle und mancher Kirchen in der Passionszeit vor Ostern. Viele Christen besuchen jedes Jahr eine dieser Aufführungen und finden darin vielleicht sogar einen besseren Zugang als in den offiziellen Liturgien der Kirchen.
Das Leiden besingen. Man mag dieses „Kulturchristentum“ kritisieren und vielleicht sogar das Besingen des Leidens problematisch sehen. Doch kommt man nicht daran vorbei, dass die musikalische Passion weit älter ist als fast alles, was heute an Musik in Kirchen und Konzertsälen erklingt. Der Brauch, Passionen zu singen, stammt aus dem frühen Mittelalter, gute 1000 Jahre vor Bach und unserer Musikkultur. Die älteste erhaltene und auch heute noch gesungene Passionsvertonung erklingt im gregorianischen Choral und stammt aus der Liturgie der Karwoche.
Aus dem Gottesdienst ausgewandert. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass die Passionen für den Konzertsaal entstanden wären. Die Vertonung der Leidensgeschichte Jesu – entweder nach einem der vier Evangelisten oder als sogenannte „Evangelienharmonie“ zusammengefügt – ist im ursprünglichen Sinn Kirchenmusik. Sie wurde vor allem am Karfreitag im Rahmen des Gottesdienstes aufgeführt – ursprünglich lateinisch und seit der Reformation in den evangelischen Kirchen auch auf Deutsch. Es ist also keine harmlose Erbauungsmusik für mondäne Konzertbesuche, sondern Kirchenmusik, die leider aus den Gottesdiensten ausgewandert ist. Dass sie dennoch auch fernstehende und kunstinteressierte Menschen im Konzertsaal erreicht, muss kein Fehler sein. Als Teil des Karfreitagsgottesdienstes haben kürzere und schlichte Vertonungen vor allem in evangelischen Kirchen, doch auch bei Katholiken wieder ihren Platz gefunden.
Passionsmusik in der Kirche. In der Linzer Ursulinenkirche wird seit 22 Jahren jeweils am Karfreitag zur Todesstunde Jesu im Rahmen der „Concert Spirituel“ eine Passionsmusik aufgeführt. Das gelang bisher ohne Wiederholungen mit Werken aus einem Zeitraum von 400 Jahren, darunter auch zwei Uraufführungen. In diesem Jahr wird es die Matthäuspassion von Johann Theile aus dem Jahr 1683 sein.
Passion 2008
Muscia Sacra & Brucknerhaus Linz bieten auch heuer wieder die Reihe „Passion 2008“ an. Fünf Konzerte mit Passionsmusik im Brucknerhaus und in vier Linzer Kirchen sind zu hören.
- Infos und Karten: Tel. 0732/77 20-15 664 bzw. 77 52 30. Tipp: Beachten Sie dazu auch das Clubangebot in der nächsten Nummer (Konzertkarten zu gewinnen)!