Im Zuge der Erneuerung der Liturgie nach dem II. Vatikanum wurden für die Sonntagsverkündigung drei Lesejahre eingeführt. Diese Lesejahre folgen in ihrer Ordnung dem Kirchenjahr und sie sind von dessen Ablauf bestimmt. Dabei ist die Aufteilung in eine allgemeine Zeit des Jahres („Zeit im Jahreskreis“) und in Zeitabschnitte, die von bestimmen Festen „geprägt“ sind („geprägte Zeiten“), bestimmend. Früher wurde in diesem Zusammenhang vom Weihnachtsfestkreis und vom Osterfestkreis gesprochen. Diese beiden Jahresabschnitte folgen aber nicht nahtlos aufeinander. Dazwischen liegt eine „Zeit im Jahreskreis“. Ihre Dauer ist abhängig von der Kalenderlogik des jeweiligen Jahres, konkreter gesagt vom Ostertermin. Eine Übersicht kann das veranschaulichen:
Die Festtage und Sonntage in den „geprägten Zeiten“, also Advents- und Weihnachtszeit bzw. österliche Bußzeit und Osterzeit, geben dem Kirchenjahr seine innere Struktur. Denn im Kirchenjahr ist ja das Christusgeschehen im Jahresrhythmus gleichsam abgebildet und wird in dieser Regelmäßigkeit in unser Bewusstsein gerückt. Die Zeit im Jahreskreis verbindet die liturgischen Feiern von der Geburt Jesu und von seinem Tod und seiner Auferstehung und führt sodann durch das Jahr weiter bis zum Ausblick auf die Endzeit an dessen letzten Sonntagen.
Kalender- und Lesejahr. Bei der Zählung der Sonntage im Jahreskreis ist allerdings noch eine Besonderheit zu beachten, die auch ihre Auswirkung auf die Leseordnung hat. Nach der Weihnachtszeit beginnt die Zeit im Jahreskreis mit dem 1. Sonntag im Jahreskreis. Bis zu Beginn der Fastenzeit werden die Sonntage der Reihe nach weitergezählt. Anders allerdings nach dem Pfingstfest: Der Sonntag nach Pfingsten wird mit der Zählung nicht am letzten Sonntag vor der Fastenzeit angeschlossen. Vielmehr wird vom letzten Sonntag im Kirchenjahr zurückgezählt. Dieser letzte Sonntag, das Hochfest Christkönig, wird als der 34. Sonntag im Jahreskreis eingeordnet. Die Kalenderarithmetik (genauer gesagt der je verschiedene Beginn des neuen Kirchenjahres) kann es mit sich bringen, dass ein oder zwei Sonntage aufgrund dieser Rückzählung ausfallen, sodass sie nach Pfingsten übersprungen werden müssen. Für die Leseordnung bedeutet dies: Es entstehen Lücken.
Zusätzlich ergibt es sich in unregelmäßigen Abständen, dass ein Hochfest (z. B. ein Muttergottesfest oder das Fest des Diözesan- oder des Kirchenpatrons) oder ein Fest des Herrn auf einen Sonntag fällt und damit die liturgischen (und die biblischen) Texte des Sonntags „verdrängt“ (wie dies in der liturgische Fachsprache bezeichnet wird). Auch das führt dazu, dass die fortlaufende Lesung der das jeweilige Kirchenjahr bestimmenden Evangelienschrift unterbrochen wird bzw. so eine weitere Lücke entsteht. Wie sich diese Gegebenheiten auf das gegenwärtige Lesejahr auswirken, muss als nächstes bedacht werden.
Dr. Walter Kirchschläger, Professor für Auslegung des Neuen Testaments, Theol. Fakultät, Universität Luzern
Lesen Sie kommende Woche hier: Das Markusjahr 2009.
Fragen bzw. Anregungen für die Bibelarbeit
Das Kirchenjahr als Lesejahr
Lesen Sie das Markusevangelium.
Überlegen Sie: Wenn Sie für die Verkündigung im Gottesdienst aus Gründen des Umfangs bestimmte Abschnitte (insgesamt ca. 1/3 des Textes) streichen müssten – welche Texteinheiten würden Sie weglassen.
Begründen Sie Ihre Entscheidungen.
WALTER KIRCHSCHLÄGER, Professor für Auslegung des Neuen Testaments, Theol. Fakultät, Universität Luzern
Im untenstehenden LINK finden Sie zur Serie Anregungen zur Bibelarbeit bzw. das Markus-Evangelium, farblich markiert in den gelesenen und nichtgelesenen Texten im Lesejahr B.