Viel ist in den letzten Wochen über sexuellen Missbrauch berichtet worden. Kinder und Jugendliche verunsichert das Thema oft. Umso wichtiger sind Aufklärung und Prävention. Eine Hauptschule in Puchenau zeigt, wie das gehen kann.
Seit Herbst 2009 beschäftigen sich in der Hauptschule Puchenau Eltern, Lehrer und Kinder mit dem Thema „Missbrauch“. Hildegard Pramper, die Religionslehrerin, hat sich dafür eingesetzt – schon lange vor den aktuellen Fällen, die jetzt die Medienlandschaft beherrschen – das Thema Missbrauch in der Schule aufzugreifen. Missbrauch – da geht es um Grenzüberschreitungen in vielerlei Hinsicht: köperliche Nähe, Gewalt und verbale Attacken, mit denen Kinder im Alltag konfrontiert sein können. Vom „Niederbusserln“ bis zu Beschimpfungen, von harten Kämpfen bis zu unliebsamen Annäherungsversuchen.
Aufklärung über Körper und Sex. Je einen Tag lang haben sich 40 Schüler/innen der zweiten Klassen in einem Workshop mit dem Thema „Missbrauchsprävention“ auseinandergesetzt. Das wichtigste dabei war, „das Selbstbewusstsein zu stärken“, erzählt Sarah Hänsel. Spiele, in denen die eigenen Körpergrenzen und -kräfte erfahrbar waren, wurden dabei ausprobiert. Den Körper mit einer Kreide nachzeichnen, war eine Übung: „Da hab ich zum ersten Mal gesehen, wie ich bin!“, sagt Sarah. Sichtlich stolz ist sie, dass sich auch ihre Mutter an den Vorbereitungsarbeiten beteiligt hat. Auch Ursula Gruber-Kloimstein hat als Mutter an den Workshops teilgenommen. Die Krankenschwester erzählt, dass Themen wie Sex oder Missbrauch in ihrer eigenen Kindheit noch viel stärker mit Tabus behaftet waren als heute. „Darüber hat man gar nicht geredet.“ Froh ist sie, dass sich heute eine andere Einstellung langsam durchzusetzen beginnt. Auch um das eigene Kind als Mutter aktiv aufklären zu können, denn: „Wir Eltern glauben gerne, dass unsere Kinder noch nichts über Sexualität aufgeschnappt haben, aber das stimmt nicht.“
Was Schimpfwörter bedeuten. An insgesamt sieben Abenden wurden die Anliegen der Schüler/innen von den Eltern behandelt. Eine eigene Mappe wurde erstellt, in denen Fragen zur Sexualität, zur Fortpflanzung und Geburt genauso beantwortet wurden wie die Herkunft und Bedeutung mancher Schimpfwörter. Martin Fischer ist 11 Jahre alt und findet die Mappe hilfreich: „ ,Oida‘ oder ,Schwuler‘ hört man 40 Mal am Tag. Die Leute beschimpfen einen und man weiß gar nicht, was gemeint ist. Jetzt kenn´ ich mich besser aus!“
Nein schwächt den Angreifer. Gefallen haben Martin auch die Übungen, wo man „Nein-Sagen“ lernt. Wenn jemand laut „Nein“ sagt, wird er stärker, der andere hat weniger Kraft. Dazu gibt es eine Körperübung: Je zwei stellen sich einander gegenüber auf, dann die Hände ausstrecken, die Handflächen aufeinander legen und auf „Los“ beginnt das Kräftemessen. Vorher macht man sich noch aus, wer der „Nein-Sager“ ist. Bei allen zeigt sich: das „Nein“ schwächt den Angreifer. „Ich habe das Recht, nein zu sagen“, diesen Satz nimmt sich auch Manuel Haugeneder für den Schulalltag mit. Hilfreich ist zu wissen, was einem in punkto Körperkontakt gut tut. Auf einem Arbeitsblatt haben die Jugendlichen jene Stellen eingezeichnet, an denen Berührungen erwünscht, erlaubt sind oder eben nicht. Die Botschaft: „Mein Körper gehört mir alleine.“
Hilfe suchen im Missbrauchsfall. Bei den „Was wäre wenn“-Fragen wurde auch darüber gesprochen, was Kinder tun können, wenn sie mit Sex und Gewalt konfrontiert sind. „Nein-Sagen“ und unbedingt eine erwachsene Person ins Vertrauen ziehen, um das ungute Gefühl, die Ungewissheit, das schlechte Geheimnis los werden, waren einige der Ratschläge, die die Religionslehrerin Hildegard Pramper den Kindern ans Herz legte. Wie man sich rasch wehren kann, ist wohl die wichtigste Lektion der Missbrauchsprävention. Auch weil die Täter auf den ersten Blick oft sehr harmlos daherkommen. Besonders schlimm hat deshalb Martin gefunden, dass es auch in den Reihen der katholischen Kirche Täter gab: „Das würde man sich nicht denken. In der Kirche sind ja eigentlich die braven und ruhigen Leute.“ Es sei schrecklich, wozu die Menschen fähig sind. Was in den Medien über Missbrauch stand, verunsicherte die Schüler/innen wie auch die 12-jährige Marlies Hamberger. Umso mehr Bedeutung kommt der Missbrauchsprävention zu: „Es ist jetzt ein gutes Gefühl zu wissen, wie wir uns wehren können“, meint Marlies.