Sandra Etzinger wollte schon immer viel mit Menschen arbeiten. Dass sie einmal Klosterschwester werden würde, hätte sie sich nie im Leben gedacht. Am 1. Oktober wird sie bei den Oblatinnen in Linz eintreten. Wer denkt, dass Sandra schon immer einen besonderen Bezug zur Kirche hatte, irrt gewaltig. „Ich war eine durchschnittliche Kirchengeherin. Taufe, Erstkommunion und Firmung – das habe ich alles mitgemacht – und vielleicht am Sonntag einmal zum Gottesdienst, mehr nicht“, erklärt sie mit einem verschmitzten Lächeln. Kloster? Das war für sie ein Fremdwort wie für jedes andere Mädchen. Die Glaubensflamme wurde bei einer Beichtgelegenheit in der Schule, dem Gymnasium Dachsberg, entzündet. Dort fiel ihr auch auf, dass die Priester, die zu den Oblaten des Hl. Franz von Sales gehören, immer so glücklich und zufrieden wirkten. Sie wurde neugierig und dachte sich: „Vielleicht könnte das auch etwas für mich sein.“
Ein weiter Weg. Zwischen der ersten Idee damals in der Schule und der endgültigen Entscheidung liegt ein langer Reifungsprozess mit vielen Höhen und Tiefen. Es gab immer wieder Zeiten, in denen sie sich von Gott verlassen gefühlt hatte und wo die Zweifel überhand nahmen. Doch sind es gerade die Krisen, an denen sie gewachsen ist und wo sie Kraft geschöpft hat. Rückblickend ist für die Zwanzigjährige klar, dass sie immer eine Sehnsucht nach „Mehr“ hatte und deshalb eine so starke innere Unruhe verspürte, die statt weniger immer mehr wurde. „Ich glaube, dass jeder Mensch zum Glück berufen ist, auch wenn es für mich nicht leicht war zu akzeptieren, dass Gott einen so anderen Plan für mich haben sollte. Irgendwann ließ aber das Herz den Verstand außer Acht und folgte dem Ruf. ,So schlimm kann’s auch nicht sein‘, dachte ich mir und ab diesem Moment der Zustimmung war ich ganz ruhig.“
Unterschiedliche Reaktionen. Während Sandras Freunde sehr erfreut waren, als sie von ihrer ungewöhnlichen Berufung erfuhren, ist ihre Familie weniger davon begeistert, dass die einzige Tochter in ein Kloster eintreten will. „Wenn sie aber sehen, dass ich glücklich bin, wird es schon passen“, zeigt sich die junge Klosterkandidatin optimistisch. Von Fremden kommt meist ein skeptischer Blick, Verwunderung und Fragen über Fragen, in denen sie auch mit typischen Vorurteilen wie „Ordensleute sind griesgrämig, bieder, langweilig und realitätsfern“ konfrontiert wurde.
Das Leben im Kloster. Wenn sie sich früher vielleicht von den Geboten und Regeln eingeengt gefühlt hätte, so sieht sie diese mittlerweile positiv: „Auch wenn sich die Leute das gerne so vorstellen, sind wir auf keinen Fall eingesperrt!“ Sie wird zwar – wie in einer normalen Partnerschaft auch – ein Stück Freiheit verlieren, das tun zu können, worauf sie gerade Lust hat, aber dafür „Freiheit von“ gewinnen, zum Beispiel Freiheit davon, sich jeden Tag aufs Neue überlegen zu müssen, was sie anziehen wird und wie sie ihren Tagesablauf gestaltet.
Nicht zeitgemäß? Die Lebensform des Klosters scheint in unserer Gesellschaft keinen Platz mehr zu haben. Ein Grund dafür ist, dass viele den Bezug zur Kirche verlieren: Wenn man schon nicht mehr in die Kirche geht, wie soll man dann ins Kloster gehen? „Ich denke, dass es in Europa eine ziemliche Armut gibt – eine geistige und nicht materielle. – Die Mehrheit strebt nach Macht, Geld und Ansehen, was als das völlige Gegenteil vom christlichen Glauben im Kloster nichts verloren hat. Und diese Mehrheit findet das Ordensleben nicht mehr zeitgemäß“, erläutert Sandra ihre Sichtweise.
Bindungsängste. Sr. Martha-Maria Käferböck ergänzt einen wichtigen Aspekt: Die für unsere Zeit typische Bindungs- und Entscheidungsangst, die man auch an der zurückgehenden Zahl der Eheschließungen bemerkt. Viele Menschen haben Angst, etwas zu verpassen, da eine Entscheidung immer andere Möglichkeiten ausschließt, und trauen sich nicht mehr zu, einem Versprechen treu zu bleiben und es durchzutragen. Aber auch wenn sie eher die Ausnahme als die Regel sind, gibt es immer wieder junge Menschen, die bewusst die Herausforderung der Bindung suchen und Verantwortung übernehmen wollen – Menschen wie Sandra eben.