Drei Wochen vor Ende des II. Vatikanischen Konzils trafen sich 40 Bischöfe aus vier Kontinenten in den Domitilla-Katakomben außerhalb Roms und schlossen einen Pakt „für eine dienende und arme Kirche“.
Ausgabe: 2012/30, Katakomben-Pakt, Konzilsbischöfe, Dom Hélder Câmara, Rom
24.07.2012
Der Anstoß für den „Pakt“ war ein Wort von Papst Johannes XIII., der in einer Radioansprache vier Wochen vor Eröffnung des Konzils von einer „Kirche der Armen“ sprach. Er meinte damit, dass die Mehrheit des Gottesvolkes in Armut lebe und dass dies auch Auswirkungen auf die Kirche selbst haben müsse. Mit ihrem „Gelübde“ läuteten die Bischöfe die Geburtsstunde der „Option für die Armen“ ein, die in der Lateinamerikanischen Bischofsversammlung von Medellín 1968 ihren deutlichsten Ausdruck fand. In der Folge entstand die Bewegung der Basisgemeinden und die „Theologie der Befreiung“. In dem Versprechen, dem sich später noch weitere 500 Bischöfe anschlossen, heißt es: Als Bischöfe, die sich zum Zweiten Vatikanischen Konzil versammelt haben, die sich bewusst geworden sind, wie viel ihnen noch fehlt, um ein dem Evangelium entsprechendes Leben in Armut zu führen … nehmen wir folgende Verpflichtungen auf uns:
1. Wir werden uns bemühen, so zu leben, wie die Menschen um uns her üblicherweise leben, im Hinblick auf Wohnung, Essen, Verkehrsmittel und allem, was sich daraus ergibt (vgl. Mt 5,3; 6,33–34; 8,20).
2. Wir verzichten ein für allemal darauf, als Reiche zu erscheinen wie auch wirklich reich zu sein, insbesondere in unserer Amtskleidung (teure Stoffe, auffallende Farben) und in unseren Amtsinsignien, die nicht aus kostbarem Metall (Gold oder Silber) gemacht sein dürfen … (vgl. Mk 6,9; Mt 10,9; Apg 3,6).
3. Wir werden weder Immobilien noch Mobiliar besitzen noch im eigenen Namen über Bankkonten verfügen; und alles, was an Besitz notwendig sein sollte, auf den Namen der Diözese bzw. der sozialen oder caritativen Werke überschreiben (vgl. Mt 6,19–21).
4. Wir werden, wann immer dies möglich ist, die Finanz- und Vermögensverwaltung unserer Diözesen in die Hände einer Kommission von Laien legen, die sich ihrer apostolischen Sendung bewusst und fachkundig sind, damit wir Apostel und Hirten statt Verwalter sein können (vgl. Mt 10,8; Apg 6,1–7).
5. Wir lehnen es ab, mündlich oder schriftlich mit Titeln und Bezeichnungen angesprochen zu werden, in denen gesellschaftliche Bedeutung oder Macht zum Ausdruck gebracht werden (Eminenz, Exzellenz, Monsi-gnore …). Stattdessen wollen wir als „Padre“ angesprochen werden …
6. Wir werden in unserem Verhalten und in unseren Beziehungen jeden Eindruck vermeiden, der den Anschein erwecken könnte, wir würden Reiche und Mächtige bevorzugt behandeln (vgl. Lk 13,12–14; 1 Kor 9,14–19).
7. Ebenso werden wir es vermeiden, irgendjemandes Eitelkeit zu schmeicheln …, wenn es darum geht, für Spenden zu danken, um Spenden zu bitten oder aus irgendeinem anderen Grund … (vgl. Mt 6,2–4); Lk 15,9–13).
8. Für den apostolisch-pastoralen Dienst an den wirtschaftlich Bedrängten, Benachteiligten oder Unterentwickelten werden wir alles zur Verfügung stellen, was notwendig ist an Zeit, Gedanken, Überlegungen, Mitempfinden oder materiellen Mitteln, ohne dadurch anderen Menschen und Gruppen in der Diö-zese zu schaden. Alle Laien, Ordensleute, Diakone und Priester, die der Herr dazu ruft, ihr Leben und ihre Arbeit mit den Armgehaltenen und Arbeitern zu teilen und so das Evangelium zu verkünden, werden wir unterstützen (vgl. Lk 4, 18f; Mk 6,4; Apg 18,3f; 20,33–35; 1 Kor 4,12; 9,1–27).
9. Im Bewusstsein der Verpflichtung zu Gerechtigkeit und Liebe sowie ihres Zusammenhangs werden wir darangehen, alle Werke der „Wohltätigkeit“ in soziale Werke umzuwandeln, die … Frauen und Männer gleicher- maßen im Blick haben (vgl. Mt 25,31–46).
10. Wir werden alles dafür tun, dass die Verantwortlichen unserer Regierung und unserer öffentlichen Dienste solche Gesetze, Strukturen und gesellschaftliche Institutionen schaffen und wirksam werden lassen, die für Gerechtigkeit, Gleichheit und eine gesamtmenschliche harmonische Entwicklung jedes Menschen und aller Menschen notwendig sind. Dadurch soll eine neue Gesellschaftsordnung entstehen, die der Würde der Menschen und Gotteskinder entspricht (vgl. Apg 2,44f; 4,32–35; 2 Kor 8 und 9; 1 Tim 5,16).
11. Weil die Kollegialität der Bischöfe dann dem Evangelium am besten entspricht, wenn sie sich im Dienst an der Mehrheit der Menschen verwirklicht, die zu zwei Drittel körperlich, kulturell und moralisch im Elend lebt, verpflichten wir uns, gemeinsam mit den Episkopaten der armen Nationen dringliche Projekte zu realisieren. Wir verpflichten uns, auch auf der Ebene internationaler Organisationen dafür einzutreten, dass Strukturen geschaffen werden, die der verarmten Mehrheit der Menschen einen Ausweg aus dem Elend ermöglicht, statt in einer reicher werdenden Welt ganze Nationen verarmen zu lassen.
12. In pastoraler Liebe verpflichten wir uns, das Leben mit unseren Geschwistern in Christus zu teilen, mit allen Priestern, Ordensleuten und Laien … In diesem Sinne werden wir gemeinsam mit ihnen unser Leben ständig kritisch prüfen, sie als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstehen, so dass wir vom Heiligen Geist inspirierte Animateure werden, statt Chefs nach Art dieser Welt zu sein, und uns darum bemühen, menschlich präsent, offen für alle, und zugänglich zu werden (vgl. Mk 8,34f, Apg 6,1–7).