Wie das Hochwasser die Pfarre Mitterkirchen verändert hat
Entlang der Donau, vor allem im Machland, waren zahlreiche Orte im August 2002 überschwemmt – wie in keinem anderen Ort war in Mitterkirchen auch die Pfarre betroffen.
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21.08.2012 - Josef Wallner
Im Rückblick auf die zehn Jahre nach der Überschwemmung bringt Maria Froschauer die Folgen für die Pfarre auf einen sehr klaren Nenner: „Wir haben gelernt selbstständig zu werden. Das ist die Langzeitfolge des Hochwassers.“ Was Froschauer, Mitglied des Seelsorgeteams, heute mit hörbarer Freude sagen kann, war ein weiter und schmerzhafter Weg. Das will sie nicht unter den Teppich kehren. So war anfangs die notwendige Erneuerung der Kirche für manche Pfarrangehörige nicht einfach zu verkraften. Nachdem in den Haushalten nichts mehr war wie zuvor, sollte zumindest im Kirchenraum alles beim Alten bleiben und ein Stück Heimat retten. Das war die Sehnsucht nicht weniger. Die Neugestaltung durch den von der Diözese Linz beauftragten Künstler Leo Zogmayr ging da manchen zu weit. Es fehlte in dieser Situation die Energie zu einem weiteren gemeinsamen Planungsweg.
Alle sind gleich. Nach dem Hochwasser war die nervliche Belastung für die Bewohner enorm. Die Arbeiten forderten das Letzte an Kraft ab, die Stimmung war gereizt und aus kleinen Ungereimtheiten entfachte sich oft ein großer Streit. Es wurden Schuldige gesucht, aber schließlich haben wir alle eingesehen, dass so ein Ereignis einfach passieren kann, erzählt Christine Langeder, Bäuerin und in der Pfarre als Leiterin von Wort-Gottes-Feiern engagiert: „Nach dem ersten Chaos begannen wir zu merken, dass wir alle gleich waren. Das hat unsere Dorfgemeinschaft enger zusammengeführt. Auch als Pfarre sind wir gewachsen.“ Sie erwähnt die jungen Familien, die in der Liturgie ihren Beitrag leisten.
Damit Vertrauen wächst. Der ständige Wechsel von Pfarrverantwortlichen bedeutete für die Pfarre aber ein große Herausforderung. Pfarrassistentin Maria Anna Kolmbauer hat die Pfarre 2004 verlassen. Ihre Kraft war am Ende, wie sie der KiZ erklärt. Sie schrieb damals in ihr Tagebuch: „Ich spüre die unausgesprochene Erwartung an mich, das Leben hier wieder so herzustellen, wie es war – weiß aber, dass das nicht geht. Diese Tatsache ist manchmal wie eine Wand zwischen mir und den Menschen hier.“ Nach drei weiteren Personalveränderungen leitet seit 2009 Dr. Chigozie Nnebedum als Pfarrprovisor mit einem Seelsorgeteam die Pfarre. „Wir haben die Pfarre so organisiert, dass der Priester wirklich Seelsorger sein kann“, sagt Maria Froschauer. Das Hochwasser ist natürlich nicht vergessen: „Der Damm beruhigt, aber wir brauchen das Vertrauen, dass er hält.“ Und sie weist darauf hin, was in der Pfarre unverzichtbar ist und wofür sie sich einsetzt: dass Glaube, Hoffnung und Liebe lebendig bleiben.
NACHGEFRAGT
Wann spenden die Bäume wieder Schatten? Maria Anna Kolmbauer hat die Tage des Hochwassers vom 12. August 2002 an, als Pfarrassistentin in Mitterkirchen miterlebt. Sie wurde im Pfarrhof vom Wasser eingeschlossen. Als sie nach zwei Tagen zur Kirche waten kann, bietet sich ihr dort ein erschütterndes Bild: „Der ganze Kirchenraum: ein Gemisch aus Schlamm, Liederbüchern, Kerzen, Blumenvasen, Stühlen und Hockern … Doch das ewige Licht ist nicht erloschen. Da spürte ich tief in mir: Wir werden es schaffen.“ Zum 25. August schreibt sie in ihr Tagebuch: „Eine kleine Schar Mitterkirchener hat sich in der Aufbahrungshalle zum Gottesdienst eingefunden. ‚Ich steh vor Dir mit leeren Händen Herr‘. Das war mein Gebet. So stehe ich vor den Menschen: sprachlos, hilflos und leer – doch irgendwie gehalten und getragen.“
Im Jahr nach dem Hochwasser führte die Fronleichnamsprozession der Tradition entsprechend in das Dorf Hütting. Es sollte die letzte Prozession dorthin sein, da die Bewohner abgesiedelt und die Häuser geschliffen werden sollten. Kolmbauer macht sich Gedanknen, wann die Menschen in ihren neuen Häusern wieder Heimat finden werden: „Wie lange wird es dauern, bis die Bäume so hoch sind, dass sie wieder Schatten spenden?“