Kaum ein Land Europas steht so sehr im Spannungsfeld zwischen seiner eigenen Geschichte und den Herausforderungen der Moderne – in Kirche, Kultur und Wirtschaft. Eine Erkundungsreise mit der KirchenZeitung und dem Evangelischen Bildungswerk.
August Enzenhofer, 22. 7. 1913, + 10. 1. 1945. So steht es auf der Gedenktafel am Soldatenfriedhof von Mlawka nahe Warschau – unter hunderten weiteren Namen. Sein Sohn gleichen Namens war damals drei Jahre alt. Für ihn und seine Frau Maria war dies der bewegendste Moment der Ökumenischen Reise 2014, zu der die KirchenZeitung und das Evangelische Bildungswerk eingeladen hatten. Erst vor wenigen Jahren wurde die Erkennungsmarke gefunden. Jetzt wissen sie, wo der Vater liegt. 58 Frauen und Männer erkundeten von 19. bis 26. Juli die Gegend und Geschichte von Pommern und Masuren im Norden Polens. Krieg und Frieden durchfluteten diesen Landstrich an der Ostsee immer wieder – und er zählt doch zu den schönsten Regionen Europas. Danzig war für die Reisenden eine große Überraschung. Zu 90 Prozent wurde die Stadt im letzten Weltkrieg zerstört. Zehn Jahre lang wurde sie wieder aufgebaut – fast ohne Lohn, nur für Kost und Quartier. Und wie in Danzig war es auch in Warschau und in anderen Städten. Von Danzig aus überströmte ab Mitte der Siebzigerjahre eine andere Welle ganz Polen, ehe im Jahr 1980 in der Danziger Werft die Gewerkschaft Solidarnosc mit Lech Walesa gegründet wurde – und nicht nur Polen gewaltig veränderte. Beeindruckend erlebten die Reisenden die Weite der Landschaften im Hinterland des Ostseestrandes. Weizenfelder soweit das Auge reicht, dann wieder Wälder und schließlich die vielen Seen der masurischen Seenplatte, die mit Kanälen verbunden sind. Dazwischen immer wieder brach liegendes Land.
Ein „geistliches“ Erleben
Es war bereits die 16. Ökumenische Reise von KirchenZeitung und Evangelischer Kirche. Dabei geht es stets auch um ein „geistliches“ Erkunden. Oberkirchenrätin Hannelore Reiner und Generalivikar Severin Lederhilger gaben Impulse zu den Seligpreisungen und zu den „Werken der Barmherzigkeit“. „Gott sagt ja – zum Schönen, aber auch zum Unfertigen in mir“, so Severin Lederhilger beim gemeinsamen Gottesdienst an einem See. Die Bibel beginnt mit dem Licht – so Hannelore Reiner. Das gilt auch für das Land, das so oft von den Schattenwolken der Geschichte gestreift wurde. Zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges kamen in dieser Region zwei Drittel der Bevölkerung um. An der Ostseestadt Frauenburg, in der Nikolaus Kopernikus Domherr war und seine Theorie, dass die Erde um die Sonne kreise, entwickelte, war es am Ende des Zweiten Weltkriegs auch so – beim grausamen Sterben, als die auf das Eis der Ostsee geflüchteten Frauen und Kinder von russischen Flugzeugen gejagt wurden und zu Tausenden ins Eis einbrachen. Ein bescheidenes Denkmal erinnert daran.