Sakramente sind keine Disziplinierungsmittel. Ein Kommentar von Heinz Niederleitner zu Kardinal Müllers striktem Nein zur Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene.
Ausgabe: 31/2014, kommentar, kirche
29.07.2014 - Heinz Niederleitner
Einmal mehr hat der Präfekt der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller, seine Meinung bekräftigt, es gebe keinen Spielraum, wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zuzulassen. Das würde dem „Dogma von der Unauflöslichkeit der Ehe“ widersprechen. Die Hoffnungen vieler Gläubiger in Hinblick auf die kommenden Familiensynoden sehen freilich anders aus. Und so einfach, wie es bei Müller erscheint, ist die Sache nicht. Zwar gehört erstens die Un- auflöslichkeit der Ehe zur kirchlichen Lehre und sie gründet sich auf Aussagen Jesu (die freilich im Kontext zu lesen sind). Der heuer verstorbene Kirchenrechtler Bruno Primetshofer hat aber mehrmals geschrieben, dass die Unauflöslichkeit der Ehe nicht als ausdrückliches Dogma definiert ist – auch mit Hinweis darauf, dass Rom in unierten Ostkirchen eine Art der Wiederverheiratung nicht beanstande. Klar ist: Die Ehe ist ein hohes und schützenswertes Gut. Das ändert aber zweitens nichts daran, dass es hinterfragbar ist, den Sakramentenzugang von kirchenrechtlich klaren Eheverhältnissen abhängig zu machen. Denn Sakramente sind keine Disziplinierungsmittel. Als verantwortete Alternative steht vor den Familiensynoden die Zulassung zu den Sakramenten unter Voraussetzungen im Raum, wie das die Erzdiözese Freiburg vorsieht und wie es in einem Hirtenbrief der österreichischen Bischöfe 1980 stand. Was treibt dann Ludwig Müller zu seinen Aussagen? Man kann sich des starken Eindrucks nicht erwehren, dass er Entscheidungen der zwei Familiensynoden vorwegnehmen will, während sie Papst Franziskus bewusst offen lässt.