Kindermund tut Wahrheit kund, heißt es. Dass man aus unbefangenen Kinderworten zumindest lernen kann, weiß die Religionspädagogin Birgit Bydlinski („Berit“) aus Erfahrung. In dieser Serie erzählt sie davon.
In der Serie "Glaube in der Schule", Teil 1 von 4.
Ausgabe: 2014/37, Bydlinski, Schule, Glaube
09.09.2014
Zu Beginn der Religionsstunde stimmt die Lehrerin Berit das Shalom-Lied an. Die Kinder der zweiten Klasse Volksschule klatschen sofort begeistert mit, das Lied wird hebräisch und deutsch gesungen. „Wenn wir gemeinsam vom Frieden singen, sind wir eine schöne Gemeinschaft. Was gehört denn alles zu einer friedlichen Gemeinschaft dazu?“, fragt Berit in die Runde. „Freundlich sein!“, ruft Alexan- der. „Nicht streiten“, schlägt Vanessa vor. „Oder sich entschuldigen, wenn man gestritten hat“, meint Markus pragmatisch.
Gemeinschaft
„Toll, dass euch gleich so vieles einfällt“, lobt Berit die Kinder. „Aber sagt, wo erleben wir denn so eine Gemeinschaft?“, gibt sie einen Denkanstoß. Zu ihrer Über- raschung macht sich ratloses Schweigen breit. Die soeben erwähnte Gemeinschaft in der Klasse oder Freunde und Familie hätte sich Berit schon erwartet und versucht weiterzuhelfen: „Na, mit wem fühlt ihr euch wohl und spürt den Frieden?“ Da steht John auf und sagt überzeugt: „Ich bin Gemeinschaft!“ „Das ist schön, dass du dich wohl fühlst“, meint Berit, „aber ist einer allein schon eine Gemeinschaft? Wie viele müssen denn da sein, damit sie gemeinsam sind?“ „Also zwei müssen es dann schon sein!“, ruft Alexander.„Mindestens zwei“, sagt Markus. „Zum Beispiel mein bester Freund und ich!“
Gebet
Sofort ist ein Gespräch über Freundschaften im Gange, über das Zusammenhalten und Sich-verlassen-Können. Vanessa meint: „Ich kann mich aber auch auf meine Mama verlassen. Und mein Papa beschützt mich immer.“ Dann erzählen die Kinder schöne Erlebnisse von daheim. Berit möchte dieses Gefühl von Geborgenheit darüber hinaus auch in das kindliche Gottesbild einfließen lassen und sagt: „Gott ist wie eine Henne, die ihre Flügel über die Küken breitet, damit ihnen nichts passieren kann.“ Dann liest sie ein Kindergebet vor, wo es heißt: ‚Wenn ich ein Bärenjunges wäre, wärst du meine Bärenmama. Du würdest für mich sorgen und mich alles lehren, was ein Bär können muss.‘ Das gefällt den Kindern. Berit ermuntert sie, sich ein eigenes Gebet auszudenken. Severin und Pauli, begeistert vom Bild des Bären, wollen die Zeit nicht mit Nachdenken verschwenden und rufen laut verschiedene Tiernamen: „Tiger! Löwe! Puma!“ Aber Andrea sagt mit sanfter Stimme: „Wenn ich ein Rehkitz wäre, wärst du meine Rehleinmama. Du würdest mich füttern und für mich sorgen. Und wenn ich ein Krokodilbaby wäre, würdest du mich auch umarmen und küssen.“
Geschenk
Berit will dieses kindliche Gebet, aus dem unbedingtes Vertrauen spricht, niemals vergessen und notiert sich – unbemerkt, glaubt sie – rasch die Zeilen. Viele andere Stimmen melden sich nun und benützen das vorgegebene Schema weiter, nur mit anderen Tiernamen. Am Ende der Stunde kommt Andrea ganz nah zu Berit und flüstert ihr ins Ohr: „Hast du es dir aufgeschrieben, weil du es auch beten möchtest?“ Berit findet es schön, dass sie nicht fragt, ob ihr Beispiel das Beste war und deshalb notiert wurde, sondern dass Andrea es ihr als Gebet überlassen möchte und antwortet: „Ja, weil ich es auch beten will, Da hast du ganz recht.“
Meditation
„Im Schatten deiner Flügel finde ich Zuflucht, bis das Unheil vorübergeht“, lesen wir in Psalm 57. Der Beter ruft zu Gott und sagt vertrauensvoll: „Deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, deine Treue, so weit die Wolken ziehen.“
„Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser“, ist der Beginn von Psalm 23. Der Psalmist weiß auch von Gottes Schutz in Gefahr: „Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.“
„Bei Gott allein kommt meine Seele zur Ruhe, von ihm kommt mir Hilfe. Nur er ist mein Fels, meine Hilfe, meine Burg; darum werde ich nicht wanken“, bekennt die Beterin in Psalm 62 ihr Vertrauen.
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In der Schule des Glaubens – Glaube in der Schule
Serie: Teil 1 von 4 Dr. Birgit Bydlinski Religionspädagogin an der Volksschule undan der AHS sowie Autorin (Neues Buch gemeinsam mit ihrem Mann Georg Bydlinkski: „Steffi wirbelt durch die Schule“ G&G-Verlag))