Die Kirche ist das „Bschoadbinkerl“ auf meinem Weg
Ernst Gansinger schrieb 35 Jahre lang bei der Kirchenzeitung für mehr soziale Empathie in Kirche und Gesellschaft. Zu seiner Pensionierung blickt der Journalist, Autor und Sprachspieler zurück und zieht Resümee über seinen (be)schreibenden und bewegenden Beruf.
Ausgabe: 2016/21, Ernst Gansinger, Pension, Solidaritätspreis, Journalist, sozial, Kommunikation, Caritas
24.05.2016 - Interview: Bianca Walter
Als Redakteur bei der KirchenZeitung soll man die Kirche auch dann in einem positiven Licht darstellen, wenn man mit etwas nicht einverstanden ist. Wie sind Sie in den vergangenen 35 Jahren mit diesem Spannungsfeld umgegangen? Ernst Gansinger: Wir sind das Kommunikationsorgan der gesamten Diözese und nicht des Bischofs. Gerade in meiner Anfangszeit hat uns das durchaus in Konflikte getrieben. Kritik oder das Aufzeigen von Mängeln kamen damals nicht so gut an. Es war ein Ringen zwischen der Vorstellung einer Zeitung, die für alle da ist und der konservativen Wahrnehmung, wonach Kirche nur das ist, was die Amtskirche sagt.
Heute haben wir mit einem etwas anderen Problem zu kämpfen, den schwindenden Mitgliedszahlen. Das wirkt sich auch auf unsere Leserzahlen aus. Es wird zunehmend schwieriger, mit dem „Rucksack Kirche“ Zeitung zu machen. Aber man kann Kirche umgekehrt auch als „Bschoadbinkerl“ sehen. Ich habe durch die Kirche einen Hintergrund, der mich auf meinem journalistischen Weg stärkt.
Wollen und wollten Sie mit Ihrer Arbeit etwas bewegen? Ja, schon. Ich weiß zwar, dass es die große Idee des Journalisten ist, dass er nur darstellt, was Sache ist, damit sich die Menschen selbst eine Meinung bilden können. Aber es wäre gelogen zu sagen, dass ich zur KirchenZeitung gegangen bin ohne eine Vorstellung, in welche Richtung ich etwas bewirken möchte. Ich möchte mitbauen an einer Kirche, die offen ist, die die Not der Leute sieht. Mein Verständnis von Journalismus in der Kirche ist die Option für die Kleinen, die Schwachen, die Armen.
Parteinahme für die Schwachen – gibt es da Erfolge? Ich rede nicht so gerne von Erfolgen. Ich denke aber, dass wir viele Initiativen setzen konnten, ob im Eine-Welt-Bereich oder in der Zusammenarbeit mit der Caritas. Ein wirklich besonderes Projekt haben wir im März 1988 realisiert, 50 Jahre nach dem Einmarsch Hitlers in Österreich. Da haben wir die aktuelle Nummer ausschließlich mit den Namen von 2.200 Opfern und den Gründen ihrer Ermordung bedruckt – ob das politischer Widerstand war oder „Feindsender“ hören oder weil sie sich gegen den NS-Staat gestellt haben. Das hat damals ziemlich viel Staub aufgewirbelt.
Sie haben den Solidaritätspreis, der vergangene Woche verliehen wurde, mit erfunden und wesentlich gestaltet. Wie kam es dazu? Der Anlass war der 50. Geburtstag der KirchenZeitung. Wir haben den Preis erstmals Ende 1994 verliehen. Es gab damals kein Preisgeld, rund 90 Einsendungen kamen dennoch. Daraus ist in raschen und großen Schritten das entstanden, was der Solidaritätspreis heute ist.
Was ist für Sie das drängendste soziale Problem, das gelöst werden muss? Ich kann es in einem Satz zusammenfassen: Es muss wieder mehr das Gefühl des Miteinanders geben.
Wie hat sich der Beruf in Ihren 35 Jahren als Journalist verändert? Es hat sich extrem viel getan. Anfangs schrieb ich noch auf laut klappernden mechanischen Schreibmaschinen, heute geht alles am Computer. Damals hatten wir noch viel mehr Zeit, um zu diskutieren. Wir gingen nach Redaktionsschluss gemeinsam ins Wirtshaus, um die aktuelle Ausgabe zu feiern und uns Gedanken über die nächste zu machen. Im Laufe der Zeit hat der Journalist viele Berufe, wie Setzer oder Korrektor, geschluckt. Dadurch bleibt weniger Zeit, um Gedanken zu entwickeln, zu diskutieren und zu reflektieren.
Was möchten Sie Jungjournalisten und Jungjournalistinnen mit auf den Weg geben? Das Wichtigste ist, sich für die Menschen zu interessieren. Die wirklich spannenden Themen findet man bei den ganz normalen Leuten. Die Jungen sollen sich nicht unterkriegen lassen. Ich habe in einer Zeit begonnen, in der die Umstände für Journalisten gut waren, heute müssen leider viele unter ausbeuterischen Bedingungen schreiben.
Sie sind nicht nur Journalist, Sie sind auch Autor. Wie kam es zu Ihren drei Büchern, in denen Sie Ihre Glossen und Kommentare aus der KirchenZeitung zusammenfassen? Ich wollte ein wenig meinen eigenen Werdegang dokumentieren. Am Anfang habe ich scharfe Kommentare geschrieben, heute sind es eher Eigenbeobachtungen. Ich denke, ich ticke mittlerweile etwas milder, aber im Grunde immer noch gleich. Gern habe ich das spielerische Nachdenken mit Wörtern und über Wörter. Das sieht man auch in den Denk Mal-Rätseln, die ich für die KirchenZeitung schreibe. Ich will den Leuten zeigen, dass jeder, wenn er sich nur hinsetzt und ein bisschen nachdenkt, etwas Kreatives schaffen kann.
Was möchten Sie mit der neu freiwerdenden Zeit machen? Ich möchte vor allem Zeit haben für Menschen. Ich mag es wahnsinnig gerne, wenn ich Freundschaften pflegen kann, wenn ich Leute bekochen kann. Zur Zeit schreibe ich an einem Buch, das im Herbst erscheinen soll, aber noch nicht mehr als einen Titel hat: „Das Zeitliche segnen“. Schon seit Längerem engagiere ich mich bei „No Limits“, einer Freizeitsportgruppe für Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen. Der Leiter dieser Gruppe war einer unserer ersten Solidaritätspreisträger und ich bin seit damals mit ihm befreundet. Ich möchte mich auch beim Katholischen Bildungswerk einbringen, da bin ich aber noch in den Startlöchern.