Im Bildungshaus St. Michael in Matrei am Brenner gab Bischof Manfred Scheuer den Kirchenzeitungen von Linz und Innsbruck ein gemeinsames Interview. Zunächst möchte sich Scheuer Zeit nehmen, sein Bischofsamt in Tirol gut zu vollenden. In rund zwei Monaten wird er das Bischofsamt in Linz übernehmen.
Herr Bischof, mit welchen Gefühlen sehen Sie Ihrer künftigen Aufgabe als Bischof von Linz entgegen? Bischof Manfred Scheuer: Meine Gefühle gehen zur Zeit hin und her. Ich habe mich noch nicht richtig mit dem Gedanken angefreundet, von hier wegzugehen. Ich werde ja noch rund zwei Monate Bischof von Innsbruck sein. Es ist schon auch eine Entwurzelung von hier. Der Gang nach Linz ist doch ein Gang in die Fremde. Immerhin bin ich 19 Jahre weg gewesen. Oberösterreich hat sich verändert, ich mich auch. Es überwiegen noch Wehmut, auch ein wenig Trauer.
In den Tagen Ihrer Ernennung fanden die Anschläge von Paris statt. Wie ging es Ihnen mit der Gleichzeitigkeit dieser beiden Ereignisse? Scheuer: Von meiner Ernennung habe ich das erste Mal am 5. November erfahren, da lag doch eine gute Woche dazwischen. Solche Nachrichten wie von Paris, aber auch die monatelangen Fluchtbewegungen, sind die bedeutsameren, Personalentscheidungen und auch Bischofsernennungen sind demgegenüber sekundär. Wichtig ist, die Proportionen zu bewahren. Vielleicht ist es gut, dass man solche Entscheidungen auch nicht zu wichtig nimmt. Es drückt etwas vom Verständnis des Bischofsamtes aus – im Sinne von Johannes dem Täufer, der auf Christus hinweist. Der Bischof ist nicht das Wichtigste. Persönlich bewegt mich der Tod von Gunther Janda sehr. Für mich war er die prägende Gestalt, mein Spiritual, Lehrer und geistlicher Begleiter. Die Gleichzeitigkeit von unterschiedlichen Vorgängen ist schon eine massive Anspannung, auch eine Herausforderung, präsent zu sein.
Wie haben Sie in den letzten Jahren die Diözese Linz wahrgenommen? Scheuer: Vor 19 Jahren habe ich Abschied genommen auf dem Hintergrund, dass das ein beruflicher Abschied für immer ist. Es ist mir sehr schwer gefallen, auch Freundschaften zurück zu lassen. Ich habe mich immer sehr eingelassen auf die Orte, an denen ich war. Ich habe zum Beispiel hier in Innsbruck nie eine Oberösterreichische Tageszeitung abonniert gehabt. So gesehen kehre ich nicht in eine Heimat zurück. Natürlich habe ich dort Vertraute und Freunde. Ein Bischofsamt ist nicht unbedingt sehr förderlich für Freundschaften. In Oberösterreich ist schon ein Grundwasser von Glaube, Solidarität und Tradition in gutem Sinn da. Entscheidend ist ein Blick mit den Augen des Glaubens, und dass ich grundsätzlich Menschen mag.
Papst Franziskus meinte, die Kirche dürfe nicht um sich selbst kreisen. Was bedeutet das für eine Diözese? Scheuer: Wenn Kirche so etwas wie Werkzeug für das Wirken Gottes ist, dann dürfen wir nicht um uns selbst kreisen. Es geht um den Blick für die Not, aber auch für die Schätze und Gaben, die an anderen Orten da sind. Es ist schon eine starke solidarische Kraft da in den Diözesen Innsbruck und Linz. Es geht darum, dass sich Liturgie und Caritas in gutem Sinn befruchten können und um die Frage: Woher schöpfen wir die innere Kraft.
Die Kirchen werden kleiner – was die Zahl der Mitglieder betrifft. Worin besteht die Rolle einer kleiner werdenden Kirche für die Gesellschaft? Scheuer: Von der Statistik her wird die Kirche kleiner, ärmer und auch alt. Ich möchte mich jedoch nicht von der Magie der Zahlen packen lassen. Die Logik des Evangeliums ist eine andere. Da ist jeder beim Namen gerufen, da zählt jeder einzelne. Die Kirche soll Senfkorn, Salz und Sauerteig, sein. Die einheitliche Gesellschaft gibt es ja nicht mehr, das Miteinander von Religion, Staat und Gemeinwesen hat sich neu auszurichten. Am Beispiel der Ereignisse von Paris zeigt sich: Bisherige Rechtsordnungen haben ihre Verdienste, aber es wird in vielerlei Hinsicht darum gehen, Werte neu zu buchstabieren. Was ist uns etwas wert? Was wollen wir schützen? Als Kirche stehen wir da mitten drin. Wir haben nicht die Position, die alles überblickt, auch nicht die des ständigen Kritisierens von außen. Wir sind Beteiligte.
Was halten Sie für das Zusammenwirken von Laien und Priestern für wichtig? Scheuer: Ein Priester kann nur dann gut leiten, wenn er mit Laien auf Augenhöhe gut zusammenarbeiten kann. Ein Klerikalismus, der letztlich nur die eigene Position verteidigen will, ist passé. Der andere Eckpfeiler ist die sakramentale Ordnung der katholischen Kirche – weil da etwas vom inneren Kern und Wesen der Kirche deutlich wird. Wichtig ist: Wie können einzelne ihre Charismen so leben, dass es zum Nutzen der Gemeinschaft ist? Das ist das Kriterium für Apostel Paulus für den Aufbau der Gemeinde. Wichtig ist auch der Blick auf die Ordensleute. Sie leben etwas vom Evangelium und übersetzen es buchstäblich ins Leben. Kirche lebt aus der Nachfolge Jesu. Bei allen Strukturfragen ist dieser Blick auf Jesus entscheidend.
Sie waren Spiritual im Linzer Priesterseminar. Werden Sie Spiritual der Diözese Linz sein? Scheuer: Ich hab im vergangenen Sommer gesagt, dass ich lieber Spiritual und Professor geblieben wäre, als Bischof zu werden. Diese Aufgaben sind mir sehr ans Herz gewachsen. Das Bischofsamt bringt eine Vielfalt von Rollen und Zumutungen mit sich, die beim Spiritual nicht da sind. Ein Bischof ist oft letzte Instanz. Er muss gegensätzliche Positionen zusammenhalten. Trotzdem sollen sich verschiedene Gruppen nicht vernachlässigt fühlen. Ein Bischof ist oft auch Richter, auch Projektionsfläche für Frustrationen. Da hatte ich es als Spiritual leichter. Insofern ist das Bischofsamt nicht etwas, was man sich erträumt. Wenn man es sich erträumt, träumt man falsch. Das Amt ist notwendig, aber es ist nicht das Wichtigste in der Kirche. Es ist eine andere Form der Nachfolge Jesu.
Grußwort des Domkapitels der Diözese Linz
Willkommen, Bischof Manfred
Das Linzer Domkapitel freut sich über die Entscheidung von Papst Franziskus, Dr. Manfred Scheuer, derzeit Bischof von Innsbruck, zum 14. Bischof der Diözese Linz zu ernennen. Bischof Scheuer kennt unsere Diözese, aus der er ja auch stammt. Er hat sich in vielen verschiedenen Aufgaben bewährt: in der Pfarrseelsorge, als Spiritual im Priesterseminar, als Universitätsprofessor in Trier und nunmehr als Diözesanbischof in Tirol. In der Bischofskonferenz ist er bisher zuständig für Caritas, Erwachsenenbildung, Ökumene und Pax Christi. Wir kennen ihn auch von seinem Engagement für die Seligsprechung von Franz Jägerstätter. Möge ihm die Diözese Linz wieder und auf neue Weise zur Heimat werden. Er übernimmt von Bischof Ludwig eine wohlbestellte, lebendige Diözese. Wir freuen uns auf ihn und neue Akzente mit ihm, auch im Sinn seines Wahlspruchs: „Der Geist macht lebendig.“