Der Autor Ludwig Laher zeichnet in seinem neuen Roman „Bitter“ den Werdegang eines NS-Verbrechers voller Unglaublichkeiten nach.
Ausgabe: 2014/10, Laher, Bitter, NS-Verbrecher, Autor, Buch, Roman
05.03.2014 - Ernst Gansinger
Fritz Bitter heißt die Roman-Figur, die durch akribische Recherche ganz nahe an ihrer Vorlage Fritz Kranebitter ist. Dieser war ein prominentes Mitglied der NS-Sicherheitspolizei (Massenmorde in Charkow), das eine grausame Spur seiner Menschenverachtung von Wiener Neustadt über Wien und Charkow bis nach Verona zog. Doch alle Spuren verschwimmen später im Leugnen, Sich-Herausreden, Verharmlosen und in der Kühnheit, Vernichtungs-Absichten als Beschützungs-Bemühungen zu deuten. Etwa im Falle eines Arztes, der gegen die Aberkennung seines Kassenvertrags Gerichtshilfe wollte. Kranebitter ließ ihn in die geschlossene Psychiatrie einweisen. Nach dem Krieg argumentiert er, er habe das zum Schutz des Arztes getan, weil ihn sein Verhalten, als Querulantentum interpretiert, unweigerlich ins KZ gebracht hätte.
Sarkasmus, der demaskiert
Zu den Unglaublichkeiten gehört auch, dass Bitter/Kranebitter keinen Finger rührt, um seinen Schwager zu retten, der das erste Mord-Opfer der Nationalsozialisten nach dem Einmarsch im März 1938 wurde. Und dass er nach dem Krieg bei seiner Schwester, der Witwe des Ermordeten, Aufnahme fand. Ja, dass die Tochter des Ermordeten bis zu ihrem Lebensende vom „lieben Onkel Fritz“ sprach. Mit sarkastischer, zynischer Sprache zeichnet Laher das Psychogramm eines Menschen, der es im Nationalsozialismus zu etwas gebracht hatte. Sarkastisch schreibe er auch, um die Sprache der NS-Mächtigen zu demaskieren, „die die grässlichsten Dinge in unglaublich zynischer Sprache beschrieben haben“. Ludwig Laher hat für den Roman viel zeitgeschichtliche Recherche verwendet und präsentiert nun ab 11. März (siehe rechte Spalte) ein Buch der Zumutung an seine Leser/innen: Es mutet eine wortgewandte Sprachlosigkeit über das Unglaubliche, aber Geschehene zu und weckt mit dichter Sprache das Gefühl für eine Vergangenheit, vor der wir auch heute noch auf der Hut sein müssen.
Termine
Das Ende in Ludwig Lahers Roman mag überraschen. Er zitiert einen Ausspruch des NS-Mord-Opfers Josef Schmerl (Schmirl), an den sich dessen Tochter Anneliese im Gespräch mit dem Autor erinnert: „Auch im schlechtesten Menschen steckt ein Stück Himmel!“ Anneliese ist die Nichte der Roman-Figur Fritz Bitter alias Fritz Kranebitter. Bei den kommenden Lesungen Lahers wird wohl auch dazu viel Gesprächs-Stoff sein:
- Dienstag, 11. März, 20 Uhr, Riedberg-Pfarrsaal, Pfarrplatz 1, Ried i. I., Erstpräsentation. In Ried findet die Premiere statt, weil der Zeitgeschichtler Gottfried Gansinger mit einer Fülle von Material über Kranebitter Ludwig Laher auf den Stoff aufmerksam gemacht hat. - Mittwoch, 12. März, 20 Uhr, Bildungshaus Schloss Puchberg bei Wels, Lesung. - Donnerstag, 20. März, 19.30 Uhr, Linz, Stifter-Haus, Adalbert-Stifter-Platz 1, Lesung. - Freitag, 21. März, 20 Uhr, Ostermiething, KultOs, Bergstraße 30, Lesung.
Ludwig Laher, Bitter, Roman, Wallstein Verlag, 238 Seiten, € 19,90; ISBN 978-3-8353-1387-3.