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Im Vatikan gibt es ein Kino. Kaum jemand kennt es, dabei ist es schön, ein Vorführsaal mit ziegelroten Designersesseln und einem Kruzifix über der Leinwand, der Raum ist als Kapelle gebaut und sieht auch so aus. Weil ich Journalistin bei Radio Vatikan bin, bin ich im Dezember zu einem vatikanischen Kinoerlebnis gekommen, das ein echtes Privileg war. Aber das habe ich nicht gleich begriffen.
Dass ein berühmter US-Regisseur einen Film über Franz Jägerstätter drehte, hatte ich gehört. Dieser Streifen nun, „A Hidden Life“, sollte im Vatikan-Kino gezeigt werden, unter Anwesenheit des Regisseurs Terrence Malick. Fein, dachte ich, dann soll der Mann doch vorher zu uns ins Radio kommen, wir interviewen ihn, das bringt ihm Werbung, der Film war nämlich noch nicht angelaufen. Dachte ich. Doch Terrence Malick ist anders: Er hat in den vergangenen 40 Jahren kein Interview gegeben. Er versteckt sich geradezu vor Presseleuten. Aber zur Vorführung seines Jägerstätter-Films im Vatikan kam er. Umringt von einer Traube aufgeregter Menschen, er selbst der Ruhepol, ein unauffälliger, freundlicher Mann im Anzug. Der Jägerstätter-Streifen dauert drei Stunden, in denen wenig passiert außer das Wichtigste. Zeit spielt keine Rolle mehr, wenn einer auf seine Hinrichtung wartet. Der Film ist groß und schwer. Malick verortet die Gewissensentscheidung des Franz Jägerstätter, den Eid auf Hitler zu verweigern, allein im Glauben dieses Mannes. Das ist kein Widerstandskämpfer, das ist ein Märtyrer.
Am Ende und noch mit feuchten Augen rappelten sich im Vatikankino die Zuschauer von ihren Ledersesseln, als es hieß, der Regisseur stehe jetzt für Fragen zur Verfügung. Das hatte niemand erwartet. Langsam gingen wir Medienleute nach vorn und umringten ihn, immer dichter, weil er so leise sprach. „Das ist ein Film, den ich schon lange machen wollte“, diktierte Malick uns in die Blocks, mitschneiden und fotografieren war verboten. Auf Franz Jägerstätter sei er über einen befreundeten Historiker gestoßen, der eine Biografie des Märtyrers schrieb. „Auch in Österreich kannte ihn lange niemand, erst in den 1970ern wurde seine Geschichte bekannt. Fast wäre es so gekommen, wie die Nazis in meinem Film sagen: Du wirst sterben, deine Familie wird leiden, aber niemand wird es je erfahren.” Und etwas wirklich Berührendes sagt Malick über Franziska Jägerstätter: „Sie ist genauso eine Märtyrerin wie er.“ Das habe er begriffen, als er den Briefwechsel der beiden las (Erna Putz hat ihn herausgegeben). Franziska habe ihren Mann „bis zur letzten Konsequenz unterstützt, trotz des Schmerzes“.
Ich hätte dem Regisseur gerne noch gesagt, dass mich als Österreicherin sein Film sehr berührt hat. Heute noch gibt es ja Mitmenschen (und vielleicht gehöre ich auch zu denen?), die sich schwertun mit der sturen Form von Heiligkeit, die Jägerstätter verkörperte. Aber nein. So schnell und soft, wie man Malicks Redebereitschaft verkündet hatte, war‘s wieder vorbei. Er griff sich noch ein Häppchen, und weg war er, ab durch die Mitte.
Mehr über den Film „Ein verborgenes Leben“:
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