Wort zum Sonntag
Der Ruf nach Reformen in der katholischen Kirche wird immer lauter. Die Kirchenkrise, die durch den Missbrauchs-Skandal noch verschärft wurde, hat in Deutschland 2019 den Reformdialog „Synodaler Weg“ zwischen den Bischöfen der katholischen Kirche und Laien in Gang gesetzt. Vom 3. bis 5. Februar ging bereits dessen dritte Synodalversammlung über die Bühne. Es herrschte „Aufbruchstimmung“, sagt Sr. Philippa Rath. Die Benediktinerin zählt zu den 230 Delegierten dieses Reformprozesses.
Erstmals wurden beim „Synodalen Weg“ Beschlüsse verabschiedet. Wie zufrieden sind Sie mit den Ergebnissen?
Sr. Philippa Rath: Sehr zufrieden. Die Stimmung bei der dreitägigen Synodalversammlung war sehr gut. Es wurde intensiv diskutiert, auch durchaus kontrovers, aber am Ende sind alle jetzt besprochenen 14 Vorlagentexte mit einer Zweidrittelmehrheit, die es laut Anforderung braucht, angenommen worden – sowohl von den Delegierten als auch von den Bischöfen. Das sind hoffnungsvolle Perspektiven. Themen waren etwa die Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche, Änderungen der Sexualmoral und die Lockerung der Zölibatsvorschrift für Priester. Über diese Texte wurde in erster noch nicht verbindlicher Lesung abgestimmt. Bei der nächsten Versammlung im Herbst soll es dann zu einer zweiten Lesung mit verbindlicher Abstimmung kommen.
Über drei der 14 Texte ist schon in zweiter Lesung, also bereits endgültig, abgestimmt worden. Darunter fällt der Orientierungstext „Auf dem Weg der Umkehr und der Erneuerung“, wo es um theologische Grundlagen des „Synodalen Wegs“ geht. Können Sie näher darauf eingehen?
Rath: Ganz bedeutend ist z. B., dass neben der Heiligen Schrift, der Tradition, dem Lehramt und der Theologie auch die Zeichen der Zeit und der Glaubenssinn der Gläubigen als Quelle der Offenbarung gesehen werden müssen. Natürlich dürfen die Zeichen der Zeit nicht gleichgesetzt werden mit Zeitgeist, aber die Kirche muss sich auch an den Zeichen der Zeit orientieren und sie kann sich nicht nur auf die Heilige Schrift und auf die Tradition berufen. Die anderen zwei verbindlichen Beschlüsse wurden gefasst zum Thema „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“, wo es darum geht, Machtstrukturen, die unzweifelhaft vorhanden sind, aufzubrechen und zum Thema Beteiligung der Gläubigen an der Bestellung von Bischöfen.
Forderungen betreffen auch die Rolle der Frau in der Kirche. Das erarbeitete Reformpapier „Diakonat der Frau“ sieht vor, dass die deutschen Bischöfe beim Papst eine Erlaubnis für die Öffnung eines Diakonatsamts für Frauen beantragen ...
Rath: Ja, gefordert wird u. a., das Frauendiakonat wieder einzuführen – das hat es ja in den ersten Jahrhunderten der Kirche gegeben. In weiterer Folge wurde bei der Versammlung noch einmal gemeinsam darüber nachgedacht, wie das weitergeführt werden kann, denn es geht ja letztlich darum, dass die Frauen zu allen sakramentalen Diensten und Ämtern Zugang bekommen. Und auch dieser zweite Text, also die Beteiligung der Frauen am gesamten Ordo der katholischen Kirche, ist mit einer großen Mehrheit auch der Bischöfe verabschiedet worden. Da war ich erstaunt.
Von vielen Teilnehmenden wurde das als historisch bezeichnet. Sehen Sie das auch so?
Rath: Ich finde es sehr wichtig, aber der Begriff ,historisch‘ wäre mir jetzt noch zu früh, weil das Thema seit fünfzig Jahren auf dem Tisch liegt. Bereits vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil, das von 1962 bis 1965 stattfand, haben sich viele für das Frauendiakonat eingesetzt. Damals hat man gesagt, es ist noch zu früh, wir müssen erst einmal durchbekommen, dass es männliche Diakone gibt. Dann hat man die Frauen fallen lassen. Weiters gab es in Deutschland Anfang der 70er Jahre die Würzburger Synode, die dieses Thema wieder sehr klar eingefordert hat. Doch auch da blieb es ohne Folgen. Jetzt ist der dritte große Anlauf. Es ist hoch an der Zeit, das nun umzusetzen und ins Handeln zu kommen.
Die Themen Sexualmoral und Homosexualität in der Kirche standen auch auf dem Plan. Hier braucht es ja ebenfalls eine Neubewertung ...
Rath: Unbedingt. Und der Katechismus muss an verschiedenen Stellen, wo er ausgrenzend und diskriminierend ist, korrigiert werden. Das wurde intensiv diskutiert und am Ende verabschiedet. Zuletzt gab es Besprechungen, dass jene Stellen im kirchlichen Arbeitsrecht abgeschafft werden sollen, wonach wiederverheiratete Geschiedene oder Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben, gekündigt werden können. Dafür hat sich ebenfalls eine große Mehrheit ausgesprochen. Ich glaube, das sind umwälzende Prozesse. Es war ein Aufbruch, ein wichtiger Schritt in die Zukunft.
Gelockert werden soll zudem die Zölibatsvorschrift für Priester. Was sagen Sie dazu?
Rath: Ich bin ja Ordensfrau und lebe zölibatär. Mir hat gut gefallen, dass der Zölibat als solches nicht in Frage gestellt wurde, sondern der hohe Wert eines solchen Lebens weiter anerkannt wird. Aber das Entscheidende nun ist die Forderung, dass man den Pflichtzölibat in der katholischen Kirche aufhebt und Männer, die Priester werden wollen, nicht dazu verpflichtet, sondern dass das freigestellt wird und es auch verheiratete Priester geben kann. Das, wie auch alle anderen Forderungen, müssen natürlich in Rom entschieden werden.
Welche Erwartungen und Wünsche haben Sie an den weiteren Verlauf des „Synodalen Wegs“ in Deutschland, der im Frühling 2023 endet?
Rath: Heuer im September ist die vierte Vollversammlung. Da werden weitere Themen der vier Foren (Anmerkung: Siehe Randspalte) eingebracht. Und es muss über die Texte, die wir nun in erster Lesung besprochen haben, im Herbst endgültig abgestimmt werden. Es soll ja eine möglichst große Mehrheit für alle Themen geben, deshalb muss dann gut argumentiert werden, um die Bischöfe, bei denen zum Teil noch dickere Bretter zu bohren sind als bei den Laien, zu überzeugen.
Wie wichtig ist der deutsche „Synodale Weg“ für den vom Papst 2021 ausgerufenen synodalen Prozess auf Ebene der Weltkirche, der 2023 in die Weltbischofssynode einmündet?
Rath: Es ist ein weltweiter Prozess, jede Teilkirche ist wichtig und kann dann dort Themen einbringen. Die Entscheidungsträger des synodalen Weges in Deutschland werden das tun und die Inhalte und verabschiedeten Texte in diesen weltweiten Prozess einspeisen. Je mehr Teilkirchen sich jetzt z. B. zum Thema Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche oder zu Macht und Gewaltenteilung in der Kirche äußern, desto größer wird der Druck, dass Rom etwas verändert.
Denken Sie, dass die katholische Kirche nach diesem Prozess eine andere sein wird?
Rath: Ich habe den Eindruck hier in Deutschland ist sie bereits eine andere geworden und sie wird sich weiter verändern. Das drückte sich bei der Versammlung allein schon in dem Miteinander von Bischöfen, Priestern und Laien, Männern und Frauen aus. Es ist ein entscheidender Wandel im Gange. Es geht um Teilhabe und darum, gemeinsam unterwegs zu sein. Wir müssen weg von dieser hierarchischen Kirche. Das ist lange überfällig. Jetzt gehen wir endlich richtige Schritte. Es war bisher ein hoffnungsvoller Weg. Wenn es so weitergeht, können wir sehr froh und dankbar sein. Ich bin überzeugt, dass die Forderungen in Rom gehört werden und dass sich in den nächsten Jahren etwas verändert. «
- Infos unter: www.synodalerweg.de
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