Wort zum Sonntag
Herr Bischof, ganz Österreich kennt Sie durch Ihre frühere Aufgabe an der Spitze der Diakonie. Welche Beziehung hat das Bischofsamt zur Arbeit in der Diakonie?
Michael Chalupka: Wie bei jeder Pfarrerin und jedem Pfarrer ist die Aufgabe des Bischofs vor allem die Verkündigung. Nichts anderes tut aber auch die Diakonie – nämlich Verkündigung in Wort und Tat, mit besonderer Betonung der Tat. Auch wenn beim Bischofsamt eine Reihe weiterer Aufgaben dazukommt – die Wahrung der Einheit der Kirche und ihre Vertretung nach außen – das Wichtigste bleibt die Verkündigung.
In der Predigt zur Amtsübernahme sagten Sie, die Kirchen sollten beim ökologischen Fußabdruck Vorreiter sein. Manche konservative Menschen sprechen freilich beim Klimaschutz schon von einer „Ersatzreligion“. Was sagen Sie dazu?
Chalupka: Das können keine konservativen Menschen sein, denn das lateinische Wort „conservare“ bedeutet ja „bewahren“. Schöpfung zu bewahren ist ein Grundauftrag der Kirche. Dabei geht es darum, das zu schützen, was uns Gott geliehen hat, und es nicht mutwillig zu zerstören. Gott hat seinen Bund nach der Sintflut ausdrücklich mit allen Geschöpfen geschlossen (Genesis 9,9–10). Mit dem Wort „Ersatzreligion“ kann ich in diesem Zusammenhang nichts anfangen: In der Klimadebatte geht es um naturwissenschaftliche Fakten und welche persönlichen und gesellschaftlichen Schlüsse wir aus ihnen ziehen. Was Religion aber einbringen kann, ist das Grundvertrauen, mit der Hilfe Gottes Verantwortung übernehmen zu können, und das Grundvertrauen, dass auf der Schöpfung ein Segen liegt. In die manchmal apokalyptische Klima-Diskussion können die Kirchen die Zuversicht einbringen, dass der Mensch zur Umkehr fähig ist.
Sie haben jetzt von der Hilfe Gottes gesprochen. Vielleicht stört die genannten Kritiker einfach, dass bei der Schöpfungsbewahrung zu wenig über Gott gesprochen wird?
Chalupka: Das ist aber Aufgabe der Kirchen, denn Verkündigung ist Reden von Gott, von Jesus Christus, von der Begleitung des Heiligen Geistes und von der Versöhnung – und aus all dem Schlüsse für unseren Alltag zu ziehen. Wir Evangelischen sagen ja: Wir tun nicht etwas Gutes, um in den Himmel zu kommen, sondern weil wir gewiss sind, dass wir vor Gott gerecht gemacht worden sind. Deshalb übernehmen wir Verantwortung. Wir müssen nicht darauf warten, dass uns die Politik oder wer auch immer vorschreibt, weniger CO2 auszustoßen.
Apropos Politik: Sie fordern einen runden Tisch, um die Frage des Karfreitags als Feiertag nach der umstrittenen Regelung zuletzt neu zu lösen. Wäre es nicht sinnvoll, wenn die Kirchen mit einem gemeinsamen Vorschlag in die Verhandlungen gehen – etwa den Tausch des Pfingstmontags gegen den Karfreitag?
Chalupka: Die Lösung liegt nicht bei den Kirchen alleine, weil es sich um staatliche Feiertage handelt, die aus der Tradition mehrheitlich christlich oder katholisch sind. Sie betreffen auch Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Interessen. Deshalb wäre es gut, den Vorschlag von Kardinal Schönborn nach einem runden Tisch aufzugreifen und die verschiedenen Lösungen zu diskutieren. Ich habe vor der Nationalratswahl die Parteien befragt und alle haben sich dialogbereit gezeigt. Ich gehe davon aus, dass das auch nach der Wahl gilt.
Aber sollten die christlichen Kirchen nicht mit einem gemeinsamen Lösungsvorschlag an diesen runden Tisch kommen?
Chalupka: Wir werden sicher miteinander reden, aber persönlich, nicht über die Medien.
Die Einheit der Christ/innen dürfte sich nach derzeitiger Tendenz in einer versöhnten Verschiedenheit verwirklichen, bei der die Kirchen ihren je eigenen Charakter behalten, aber möglichst offen zueinander stehen. Ist das in Österreich nicht an vielen Orten schon verwirklicht?
Chalupka: Die Ökumene ist in Österreich sowohl in den Regionen als auch in den Kirchenleitungen sehr weit entwickelt und das basiert auf großem persönlichen Vertrauen. Allerdings wünschen wir uns weitere Schritte. Ich würde die gegenseitige Gastfreundschaft beim Abendmahl auch offiziell noch gerne erleben. Ein neues Theologendokument in Deutschland kam zu dem Schluss, dass bei allen Auffassungsunterschieden diese Gastfreundschaft, wie sie seitens der evangelischen Kirche schon praktiziert wird, beidseitig möglich ist. Natürlich freuen wir Evangelische uns, wenn die Gastfreundschaft inoffiziell gelebt wird. Aber ich finde es schade, wenn jemand in seiner Praxis nicht im Einklang mit seiner Kirche ist.
Empfinden Sie in der evangelischen Kirche die katholische zahlenmäßige Stärke als Problem?
Chalupka: Wir haben gelernt, in der Minderheit zu leben und haben damit auch kein Problem. Wichtig ist, dass man seine Identität leben und auch als Minderheit etwas zum Ganzen beitragen kann, statt sich abzukapseln. Insgesamt muss die Gesellschaft pluralismusfähiger werden, denn überall ist jemand in der Minderheit. In Wien stellen die Katholiken auch schon weniger als die Hälfte der Bevölkerung. In einem zunehmend säkularen Staat müssen wir als Kirchen in der Öffentlichkeit selbstbewusst präsent sein.
Weil Sie den Zahlenunterschied angesprochen haben: der kann zu einem praktischen Problem werden. Ich war Pfarrer in Mistelbach und hatte in der Region 20 katholische Kollegen, die zumeist ökumenisch sehr offen waren. Ich hätte also das ganze Jahr über nichts anderes tun können als ökumenische Gottesdienste zu feiern. Da muss man halt auf katholischer Seite ein wenig Geduld mit uns aufbringen. (lacht)
Der erste Timotheusbrief beschreibt den Bischof als verheirateten Familienvater. Als jemand, auf den das zutrifft: Wie verfolgen Sie die Debatte über den Pflichtzölibat bei den Katholiken?
Chalupka: Ich kann nur von uns Evangelischen sprechen: Einen Zwang zu Partnerschaft und Familie gibt es bei uns nicht, sondern die Haltung, dass Menschen ihre Lebensumstände selbst wählen. Es gab schon auch die Tendenz, das „evangelische Pfarrhaus“ zu idealisieren. Da wir aber kein Weiheamt kennen, ist der einzige Unterschied zwischen Pfarrer/in und Gemeindemitglied, dass erstere/r sich in der Regel mehr mit der theologischen Materie auseinandergesetzt hat. Ansonsten ist jeder aufgerufen, mit den persönlichen Lebensumständen verantwortungsvoll umzugehen.
Sie feiern diese Woche einen ökumenischen Gottesdienst mit Mitgliedern des neu zusammengesetzten Nationalrats. Was erwarten Sie sich von den Menschen, die Ihnen da gegenübersitzen?
Chalupka: Jene, die in diesen Gottesdienst gehen, verstehen sich als Christ/innen. Von ihnen erwarte ich mir, dass sie ihren christlichen Glauben auch in die Reflexion der eigenen Arbeit einbeziehen und nicht unter der Woche ganz etwas anderes tun als am Sonntag in der Kirche. Das heißt nicht, dass sie mit der Bibel in der Hand Gesetze schreiben sollen. Aber es gibt bei vielen Entscheidungen Gewissensfragen und Gewissenskonflikte. Aus unserem evangelischen Verständnis heraus hat das Gewissen einen hohen Wert. Nur leider ist in unserem politischen System der Klubzwang im Nationalrat ein großes Problem. Das finde ich schade.
Für die Beschreibung Ihres Amtes als Bischof haben Sie das Bild des Pfarrers verwendet. Warum?
Chalupka: Es steht bei uns in der Kirchenverfassung, dass Bischof bzw. Bischöfin erster Pfarrer bzw. erste Pfarrerin der Kirche ist. Das bedeutet, in diesem Amt viel unterwegs zu sein, zu verkündigen und die Sakramente zu feiern. Denn das geht nur an konkreten Orten. Dietrich Bonhoeffer hat die Christuslosigkeit der Kirchen in ihrer Ortlosigkeit gesehen: Wenn man den Ort verliert, wo Kirche konkret wird, dann verliert man die Verbindung zu dem, der mit uns diese Gemeinschaft bildet: Christus. Wer Christus begegnen will, muss dort sein, wo die Menschen sind. Ich bin überzeugt, dass wir auf das Leben in unseren Pfarrgemeinden stolz sein können. Denn wenn man Orte sucht, wo sich unterschiedliche Menschen begegnen, die Sehnsucht nach dem Guten haben, dann findet man sie in den Pfarrgemeinden.«
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