Wort zum Sonntag
Der EU-Ratspräsident Jean-Claude Juncker beschrieb die Lage als eine „tiefgreifende Krise“, nachdem die wichtigsten Themen – Verfassungsfrage und Haushalt – einfach ungelöst blieben. Die Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden hatten zuvor ein klares Signal gesetzt: Das europäische Projekt war außer Balance geraten. Statt einer Strategie wurde lediglich eine „Nachdenkpause“ ausgerufen, was der EU-Referent der Österreichischen Bischofskonferenz, Michael Kuhn, gegenüber der Kirchenzeitung als faulen Ausweg kritisierte.
Die Finanzverhandlungen scheiterten an den unterschiedlichen Interessen der Mitgliedsstaaten. Besonders schwer fiel die Uneinigkeit zwischen reichen Ländern und den ärmeren Staaten. Die Briten etwa misstrauten vor allem den Agrarsubventionen, die aus ihrer Sicht zu hohe Beträge verschlangen. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel warnte vor einem europaweiten Scheitern und betonte, dass Großbritannien ein marktliberales Europa ohne vertiefte Union anstrebe. Er sagte: „Wer für so ein Modell eintritt, verabschiedet sich eigentlich vom europäischen Sozial- und Wirtschaftsmodell, das uns gut getan hat und das die Bürger:innen wollen.“
Für Michael Kuhn war die EU an einem Punkt angelangt, wo sie klar sagen musste: „Wollen wir auch ein soziales Europa oder nicht. Und diese Frage muss gelöst werden. Man kann nicht einen freizügigen Arbeitsmarkt ohne soziale Regelungen haben, wenn wir nicht in die Zeit des Brutal-Kapitalismus zurückfallen wollen.“ Hier sah er auch die Kirchen gefordert.
Zwei Jahrzehnte später zeigt sich, wie tief die Krise den europäischen Einigungsprozess beeinflusst hat. Die Diskussionen darüber, wie Europa wieder handlungsfähig und sozialer werden kann, sind bis heute aktuell.
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