Wort zum Sonntag
Etliche Male hat sie die Distanz im Juli des Vorjahres überwunden, denn sie hat ein Angebot der Diözese Linz in Anspruch genommen: Eine Woche lang war sie Turmeremitin und nutzte die luftige Höhe als Rückzugsort hoch über Linz.
„Es ist eine wohltuende Entfernung, auch wenn es schon ein ‚ordentlicher‘ Weg nach oben ist. Aber ich dachte mir: Für wichtige Dinge muss ich mich schon ein bisschen bemühen“, erzählt die 54-Jährige. Für sie war die Zeit auf dem Turm nicht einfach eine Urlaubswoche: „Ich hätte nichts dagegen, wenn jemand anderer sagt, er habe dort oben einen ganz besonderen Urlaub gemacht. Für mich war es dagegen eher eine Fortbildungswoche als Mensch.“
Die Münchnerin nahm zwar Bücher mit, las dann aber wenig darin. „Es war dann doch sehr viel, was in dieser Zeit auf mich zugekommen ist – Unvorbereitetes, mit dem ich mich beschäftigt habe. Vom Dom und von den Menschen, die dort arbeiten, habe ich viele Eindrücke geschenkt bekommen.“ Kraus erzählt davon, dass sie um fünf Uhr morgens oder um elf Uhr abends alleine im riesigen Dom gesessen ist. „Es ist ein Geschenk, das machen zu können. Wie auch immer man es nennen will: Raumgefühl, Gottesgefühl – es war jedenfalls etwas ganz Besonderes.“
Auch der Balkon bei der Türmerstube mit dem Ausblick auf die Stadt und das Domdach sei ein besonderer Genuss gewesen, sagt die Turmeremitin. Sie habe eine große Familie und komme auch sonst viel mit Menschen zusammen. „Aber ich kann mich auch gut mit mir selbst beschäftigen“, erklärt Kraus. In ihrer Woche als Eremitin habe sie sich von ihrem eigenen Rhythmus treiben lassen. Das tägliche Gespräch mit der geistlichen Begleiterin sei ihr sehr wichtig gewesen. Besondere Eindrücke waren auch drei Konzerte auf dem Domplatz, die sie miterleben konnte. Gedichte und kleine Texte brachten Impulse. „Ich habe aber versucht, mich nicht zu verzetteln und möglichst viel mit mir allein zu sein“, berichtet Kraus. Das gilt auch für Zeiten, da sie den Turm für einsame Spaziergänge verlassen hat.
Den Aufenthalt in der Türmerstube selbst hat sie als angenehm empfunden. „Im Juli war es nicht zu heiß. Die Lichteindrücke durch die kleinen Bogenfenster sind wunderbar, gerade bei Sonnenaufgang. Der kleine Raum zwingt dazu, sich zu beschränken, nicht zu viel mitzunehmen und auch nicht zu viel zur Verfügung zu haben.“
Und wie ist es, wenn man nach einer Woche abreist? „Natürlich ist man verändert. Im Alltag muss ich mich disziplinieren, um die Dinge, die ich mir vorgenommen habe, auch umzusetzen. Ich hoffe jedenfalls, dass ich nochmals Turmeremitin sein kann. Ich glaube, es könnte eine Hilfe bei Veränderungen in einer Lebensumbruchphase sein“, sagt Brigitta Kraus.
Ob sie diese Erfahrung auch anderen empfehlen möchte? „Da bin ich ein bisschen vorsichtig. Die Menschen sind verschieden. Ich erzähle gern über meine Erfahrung, aber ich würde nie sagen: Das musst du auch machen.“
Sommer für die Seele
Teil 3 von 4
Wort zum Sonntag
Birgit Kubik, 268. Turmeremitin, berichtet von ihren Erfahrungen in der Türmerstube im Mariendom Linz. >>
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