„Erzähl mir was – ich hör dir zu!“ ist ein Straßenseelsorgeprojekt in der Linzer Innenstadt, das Passant/innen zur spontanen Plauderei einlädt. Die bisherige Erfahrung zeigt, dass der Bedarf nach Gesprächen groß ist.
Die Linzer Innenstadt an einem warmen Mittwochnachmittag. Punks sitzen auf der Straße und schnorren, Tauben stürzen sich auf Essensreste, Passanten erledigen im Schnelltempo ihre Einkäufe. In der ganzen Betriebsamkeit fällt Katharina Brandstetter aus der Reihe. Die 29-jährige Theologin sitzt auf einem Klappstuhl am Martin-Luther-Platz. Neben ihr ein leerer Sessel, auf dem einladend steht: „Erzähl mir was – ich hör dir zu!“ Drei Stunden lang will sie heute einfach „nur zuhören, ohne zu missionieren“. Die junge Theologin, die bereits mehrmals als Seelsorgerin auf der Massen-Maturareise Summer Splash mit dabei war, ist es gewohnt, den geschützten Rahmen einer Pfarre zu verlassen. Sie ist Teil eines siebenköpfigen Teams, das über das Linzer Zentrum verteilt für Gespräche zur Verfügung steht.
"Man verliert die Schüchternheit."
Bereits nach kurzer Zeit umkreist eine ältere Dame einen der leeren Stühle, überlegt sich es sich aber dann anders. „Ich habe ja wen zum Reden, aber es ist ein tolles Angebot“, meint sie. Viele Menschen starren Katharina Brandstetter und ihre Kolleg/innen recht unverhohlen an. „Da verliert man die Schüchternheit“, sagt sie. Nach etwa zehn Minuten kommen die Ersten und der Strom an Redewilligen wird bis zum Schluss um 20 Uhr nicht mehr abreißen. Bei Katharinas Schwester Stefanie hat ein Mann mit Halbglatze und einbandagierten Ellbogen Platz genommen. Vor sich stellt er einen großes Packerl Wein ab. Er wird lange sitzen bleiben und seine Lebensgeschichte erzählen. „Ich bin der Johnny und war drei Jahre lang im Gefängnis. Seit drei Wochen bin ich frei“, erzählt er auf Nachfrage der KirchenZeitung. „Ich bin ein katholischer Mensch“, sagt er über sich.
Vertrauliche Gespräche im Straßenlärm
Es gebe kein spezielles Ziel bei den Gesprächen, oftmals komme das Thema „Glaube und Gott“ aber wie automatisch auf, erzählt Katharina Brandstetter. Die Anonymität der Stadt und Umgebungslärm sorgen dafür, dass die Gespräche vertraulich bleiben. Die Erfahrung nach insgesamt drei Nachmittagen zeigt: Junge Leute, Alte, quer durch die Gesellschaftsschichten nutzen das Gesprächsangebot. „Manche Passant/innen bleiben drei Stunden lange sitzen und erzählen ihre ganze Geschichte. Andere wollen einfach ihren Frust abladen oder eine große Freude teilen“, sagt Katharina Brandstetter.
Erzähl mir was– ich höre dir zu.
Sich bewusst Zeit nehmen für Gespräche aller Art ist Ziel des Projektes „Erzähl mir was – ich hör dir zu“. Initiiert wurde das Projekt von den Jugendleiterinnen Anita Buchberger, Katharina Brandstetter und Nicole Leitenmüller. An vier Abenden jeweils von 17 bis 20 Uhr werden in der Linzer Innenstadt Klappstühle aufgestellt die zum Reden einladen. Der letzte Termin ist am Donnerstag ,3. Juli von 17 bis 20 Uhr.