Der Garten ist das Ambiente, in dem sich Gott Menschwerdung ausgedacht hat, sagt Pater Hans Eidenberger. In seinem Bibelgarten der Marianisten auf dem Greisinghof in Tragwein (OÖ) lassen sich biblische Botschaften in das eigene Leben holen.
Serie "Ora et labora – Spiritualität und Arbeit im Klostergarten, Teil 2 von 4
Ausgabe: 2015/25, Ore et labora, Klostergarten, Greisinghof, Eidenberger
16.06.2015 - Christine Grüll
Pater Hans Eidenberger geht durch seinen blühenden Bibelgarten. Hier und da pflückt er ein Blatt, bricht einen Zweig. Christusdorn, Judasstrauch, Papyrus oder Libanonzeder, er nennt sie alle beim Namen. Sie spielen in der Bibel eine Rolle. Wie der Ysop. Auf einem Ysopzweig steckten Soldaten den Schwamm mit Essig, den sie dem Gekreuzigten an den Mund hielten.
Ein Ort der Menschwerdung
„Im Bibelgarten geht es nicht nur um das einzelne Pflänzchen, sondern um den Garten als Ort, in dem jeder selbst spürt, ja, ich bin zum Leben berufen“, sagt P. Hans Eidenberger beim Spaziergang durch den Garten des Bildungshauses Greisinghof in Tragwein. 2003, im Jahr der Bibel, wurde er gesegnet. Seitdem führt Hans Eidenberger Besucherinnen und Besucher über Gras und sandige Wege, zu Weidenhütte und kleinem Teich, vorbei an zu Türmchen gelegten Steinen. „Der Garten ist das Ambiente, in dem sich Gott Menschwerdung ausgedacht hat“, sagt der „Bibelgärtner“, wie er sich lächelnd bezeichnet. „Er ist ein Willkommensgruß an den Menschen, der sich oft fragt, wozu soll ich überhaupt leben?“ Wer im Garten eine Bibel zur Hand nimmt, öffnet sich leichter für ihre Botschaften, erfährt Offenbarung. Denn die zahlreichen Gleichnisse, die Jesus verwendet hat, laden ein, durch die Schöpfung hindurch eine Glaubensbotschaft herauszuhören. „Man fängt bei einem Pflänzchen an und hört mit einer klaren Botschaft auf“, sagt Hans Eidenberger. Der Sinn der Gleichnisse liegt nicht nur darin, sie zu verstehen, sondern sie mit dem Herzen nachzuspüren.
Vom Schlachtfeld zur Kultur des Lebens
Mit dem Herzen glauben ist das Leitthema der Marianischen Ordensgemeinschaft. Pater Hans Eidenberger lebt mit fünf weiteren Brüdern im Greisinghof. Von hier aus leitet er die Region Österreich – Deutschland. Vom Bibelgarten aus schweift der Blick über die hügelige Landschaft des Mühlviertels. Besonders, wenn man am Brunnen sitzt. Zwölf Strahlen aus Pflastersteinen führen von ihm weg in die Wiese. Die Zahl zwölf der Apostel oder der Stämme Israels ist eine abgeschlossene Zahl. Die Sieben hingegen ist eine dynamische Zahl, sagt Hans Eidenberger. Sie führt auf den biblischen achten Tag der Vollendung hin. Die heiligen Zahlen der Bibel setzen sich aus drei und vier zusammen. Die Drei ist die Zahl des Himmels, sie ist älter als die Dreifaltigkeit. Wie im Alten Testament das drei Mal „heilig“ im Buch Jesaja: „Sie riefen einander zu: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere.” (Kap. 6) Die 4er-Zahl hingegen ist jene der Erde, in den Himmelsrichtungen und Jahreszeiten. Erde, Humus, Humor, humilitas, das lateinische Wort für Demut, all das hängt zusammen. Es hat mit dem Menschsein zu tun, dass man weiß, was Erde ist, sagt Hans Eidenberger: „Der Garten ist eine ganz große Friedensschule.“ Denn ein Feld zu kultivieren, lässt den Menschen reifen, weg von der Kultur des Todes auf dem Schlachtfeld hin zur Kultur des Lebens: Schwerter zu Pflugscharen und Spieße zu Sicheln, heißt es bei Jesaja.
„Christen sind dufte Leute”
Gartenbilder kommen in der Bibel öfter vor, der Garten des Paradieses oder der Olivenhain Getsemani. Er war für Jesus ein Ort des Trostes, um sich mit der extremen Situation auseinanderzusetzen, glaubt Hans Eidenberger. Am Ende des Spazierganges riecht er an seinen Händen. Der Duft zahlreicher Kräuter, die er zwischen seinen Fingern zerrieben hat, erinnert ihn an Salbe und das Salböl Chrisam, an Christos, der Gesalbte: „Wir Christen sollten uns eher die Gesalbten nennen, das erinnert auch an Duft – Christen sind dufte Leute.“