Ob asketisch-modern, urtümlich-wild oder ein Park – in jedem Fall etwas Besonderes: Wer einen Klostergarten betritt, hat bestimmte Erwartungen. Auch an den Garten der Franziskaner in Telfs.
Serie "Ora et labora – Spiritualität und Arbeit im Klostergarten, Teil 4 von 4
Ausgabe: 2015/27, Franziskaner, Telfs
30.06.2015
- Hanspeter Kathrein
Die Anlage im Zentrum der 15.000-Einwohner-Gemeinde ist urtümlich im Sinne dessen, was ein Klostergarten schon im Mittelalter war: ein Nutzgarten für die klösterliche Selbstversorgung. Der „Hortus conclusus“, der verschlossene Garten, stand für das irdische Paradies inmitten einer heillosen Welt. Dementsprechend war die Gestaltung voll von christlicher Symbolik. Auch der Klostergarten in Telfs ist „verschlossen“ – umgeben von einer Mauer mit Nischen und Bildern aus dem Leben des hl. Franziskus und der hl. Klara. Die große Marienstatue mag daran erinnern, dass der Garten Eden durch den Sündenfall verloren war und erst durch Marias Ja wieder zugänglich wurde. Dabei ist das Kloster in Telfs nicht schon im Mittelalter bezogen worden, sondern erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Die meisten Franziskanerklöster in Österreich sind da bedeutend älter.
Liebe zur Schöpfung
Das Kloster im Oberinntal ist auch ein kleines Stück Oberösterreich. Drei der fünf Bewohner sind von dort, und zwei davon verbinden im Garten Kontemplation mit handfester Arbeit: Bruder Sepp Spiesberger aus Lohnsburg ist gelernter Werkzeugmacher und Dreher. Der spätberufene Jünger des hl. Franziskus besorgt den Garten und verwertet als Koch die Ernte in der Küche. Die klassische und die geistliche Musik sind seine Hobbys, ebenso die Fotografie (siehe erstes Bild) und das Verfassen von Gedichten. Darin verbindet er seine große Liebe zur Schöpfung mit der größeren Liebe Gottes. Der Garten ist ihm dabei eine willkommene Quelle der Inspiration. So schrieb er zum Beispiel in einem Gedicht unter anderem folgende Zeilen: „Wir bestaunen alle Schönheit / in der Schöpfung der Natur. / Erkennen wir drin Gottes Weisheit, / die alles Schöne bringt hervor.“ Bruder Sepp ist es auch, der mit einer Hasenzucht begonnen hat: An die 30 Tiere warten im Klosterstall auf die Pfanne in der Klosterküche – oder darauf, vorher verschenkt zu werden. Auch für einen zweiten Oberösterreicher gesellt sich zur Beschaulichkeit die Arbeit: Bruder Franziskus Königseder aus Neukirchen am Walde ist nicht nur dem Namen nach ein treuer Nachfolger des Heiligen aus Assisi. Der gelernte Gärtnermeister arbeitet auch als Mesner, im Sekretariat und an der Pforte, wo er „die vielen Bettler nicht immer zufriedenstellen kann“.
Nicht öffentlich, aber offen
Der Klostergarten in Telfs ist kein öffentlicher Ort, aber offen für Viele und Vieles: 60 Lernwillige kamen zum letzten „Praxiskurs Obstbaumschnitt“, und seit drei Jahren begrüßen die Franziskaner hier die Aussteller eines Adventmarktes. Schulklassen kommen ebenso gerne ins Kloster – und zu den Kaninchen – wie Erstkommunionkinder zum Brotbacken. Seit einigen Jahren lädt ein Labyrinth dazu ein, auf 162 Metern die Weggrenzen einzuhalten und dann, fast überraschend, zur Mitte zu kommen. Ein offener Pavillon dient dem Taizégebet und für Messfeiern bei Exerzitienkursen. Seit 1824 steht dieses Häuschen im Klostergarten, geschmückt mit franziskanischen Motiven aus der Hand von Leopold Puellacher aus Telfs. Der weitläufige Klostergarten der Franziskaner ist das, was er sein will: der Garten des Klosters. Nicht ein Schaugarten, aber ein beschaulicher Ort. Da wird auf der großen Wiese Heu gemacht, von dem die Hasen genauso profitieren wie Bauern aus der Umgebung. Da gibt es Beete und Beeren, einen alten Apfelbaumbestand mit seltenen Sorten, und es reifen sogar Weintrauben – zur Freude der vielen Vögel. Franziskus hätte sich mitgefreut!