Die vielen Freiheiten, die wir haben, erfordern viele Entscheidungen. Da tun Rituale manchmal gut. Sie folgen bestimmten Regeln und bringen etwas Struktur ins chaotische Leben. Ein Unter Uns von Christine Grüll.
Ausgabe: 2015/29
14.07.2015 - Christine Grüll
Ich mag Rituale. Morgens stehe ich früh auf, um genügend Zeit für die vorgegebenen Abläufe zu haben. Dabei kann das Kaffeetrinken vor dem Waschen kommen oder auch danach – so viel Freiheit muss sein! Auch der restliche Tag vergeht nach bestimmten Mustern: die Zugfahrt zur Arbeit, das Heimkommen, die Mahlzeiten mit der Familie oder an manchen Wochenenden der Besuch von Freunden samt Übernachtung. Ganz besonders aber mag ich die Rituale im Kirchenraum. Sie sind wie ein Handlauf, der durch den Gottesdienst führt, von einer Handlung zur nächsten. Und weil der äußere Rahmen vorgegeben ist, können sich Herz und Hirn auf die Botschaft der Gebete und der Predigt einlassen. Rituale zu hinterfragen und, wenn es Zeit ist, auch zu verändern, gehört natürlich zum Ritual dazu. Beim letzten Gottesdienst begleitete nicht nur die gewohnte Orgel aus der Kirche hinaus. Ein jazziges Saxophon spielte uns aus Leibeskräften ein Lächeln in die Gesichter. Ein Hoch auf das Ritual! – Und auf die Abweichungen.